Naturgeschichte(n)
sind zu klären, die Behauptung wird aufgestellt und dann muss der Beweis geführt werden.
Was sind die Voraussetzungen im Falle des Kuckucks? Singvogelnester natürlich, und zwar solche im passenden Zustand. Das Kuckuckweibchen muss genau beobachten, wann das Legen der Eier bei der ausgewählten Wirtsvogelart beginnt. Das können vor allem Rotkehlchen oder Heckenbraunellen, Bachstelzen oder Rohrsänger sein. Das Kuckucksweibchen ist auf die Wirtsvogelart geprägt, bei der es selbst aufwuchs. Sagen wir, dass es sich um einen » Rohrsängerkuckuck« handelt. Dann beobachtet das Kuckucksweibchen, wie sich das Brutgeschäft bei den Rohrsängern im Schilf entwickelt. Dabei muss es sehr vorsichtig vorgehen. Denn sobald die Wirtsvögel einen Kuckuck entdecken, » hassen« sie auf ihn, um ihn zu vertreiben. Das geschieht jedoch häufiger bei Kuckucksmännchen, sodass es sich dabei vielleicht sogar um ein Ablenkungsmanöver handelt.
Die Kuckucksweibchen können sich dann ungesehen den Nestern nähern, wenn deren Besitzer gerade dabei sind, ein Kuckucksmännchen zu vertreiben. Am besten klappt es mit dem Einschmuggeln des Eis, wenn schon zwei oder drei Eier im Nest sind. Eines frisst die Kuckucksfrau, ein eigenes legt sie hinein. Wäre das Nest dagegen noch leer, würde das fremde Ei sofort erkannt. Kommt es zu spät, schlüpfen die Wirtsvogeljungen zu früh und können den später kommenden Jungkuckuck unterdrücken. Schiefgehen kann es dennoch, weil die Wirtseltern etwas merken oder ein anderer Nesträuber beides holt, die Wirtsvogeleier und das Kuckucksei. Parasiten haben es nicht leicht.
Die Abwehr versucht überall zuzuschlagen. Deshalb reicht ein Nest bei Weitem nicht aus, dem Kuckuck Erfolg zu garantieren. Das Weibchen legt bis zu 15 Eier in kurzer Zeit, die sie alle in einem geeigneten Nest unterbringen sollte. Was bedeutet, dass die Wirtsvogelart häufig genug sein muss. 15 fremde Nester unter Beobachtung zu halten, fällt einem Kuckucksweibchen noch schwerer als einem Vogelkundler, weil der Eiräuber weder über ein Fernglas noch über Techniken wie Nestmarkierungen verfügt.
Wer versucht, ein volles Dutzend Rotkehlchennester ausfindig zu machen, wird viel Zeit dazu brauchen, Geduld und Glück, aber vor allem muss der Rotkehlchenbestand in der Gegend groß genug sein. Bei den Rohrsängern geht es leichter, weil sich diese einfach den Schilfgürtel am Ufer eines Gewässers Revier an Revier aufteilen. Da reicht unter Umständen schon ein Kilometer Ufer, um die benötigte Mindestzahl von Rohrsängerrevieren zusammenzubekommen.
Rohrsänger waren und sind daher die begehrtesten Wirte des Kuckucks. Sie haben einen weiteren Vorteil. Ihr Lebensraum, das Röhricht, ist ganz einfach strukturiert. Die zwischen die Schilfhalme eingeflochtenen Nester werden meistens in ein- bis eineinhalb Metern Höhe über dem Wasserspiegel gebaut. Sie sind leicht zu finden. Gleichzeitig fällt es nicht schwer, sich im dichten Rohrwald zu verstecken. Und noch ein Vorteil ist mit den Rohrsängern verbunden, der bedeutendste überhaupt. Ihnen wird bei schlechtem Wetter die Nahrung nicht knapp, denn bei Regenwetter schlüpfen die Wasserinsekten geradezu massenhaft. Es sind alles gut schmeckende, ungiftige Insekten. Genau solche, die der Jungkuckuck braucht, denn seine eigentlichen Eltern fressen haarige, giftige Raupen. Damit könnten sie ihren Nachwuchs nicht füttern. Der Kuckuck ist zum Parasitieren von Singvogelbruten gezwungen. Sie liefern die Nahrung, die für seine Jungen passt.
Das Schlüpfen der Wasserinsekten setzt je nach Art der Gewässer und der Wassertemperaturen von Ende Mai bis Mitte Juni ein. Die Mitte bis Ende April aus dem Winterquartier zurückgekehrten Kuckucke haben genug Zeit, sich auf Nestbau und Eiablage der Wirtsvögel einzustellen. Bei den Rotkehlchen ist die erste Brut schon voll in Gang gekommen, wenn der Kuckuck eintrifft. Da passt die zweite besser.
So, das reicht zur Erläuterung der Voraussetzungen für die Behauptung, unsere Natur sei zu sauber und deswegen der Kuckuck viel seltener geworden als früher. Wie sieht nun der » mathematische« Beweis aus?
Das Röhricht ermöglicht(e) deswegen sehr hohe Bestände von Rohrsängern, weil, wie schon ausgeführt, die Insektennahrung aus dem Wasser kommt. Die weitaus größte Masse liefern kleine Mücken, die nicht stechen, aber Stechmücken ähnlich sehen. Zuckmücken heißen sie zoologisch, wissenschaftlich Chironomiden. Sie gelten als Anzeiger für das Ausmaß
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