Naturgeschichte(n)
ihnen eine unerbittliche Grenze.
Der große Vorteil der Vögel steckt in ihrem Flugvermögen. Es ist zwar kostspielig, was den Energieaufwand betrifft, aber unschlagbar in Bezug auf die Möglichkeiten, stets das Beste zu nutzen, was weltweit geboten ist. So fliegen Sichelstrandläufer, kleine, nur etwa starengroße Vögelchen mit langem, gekrümmtem Schnabel, nach der Brutzeit an die nahrungsreichen Flachstrände der Nordsee, ins sogenannte Wattenmeer. Dort fressen sie sich Reserven an, mit denen sie weiterfliegen nach Westafrika oder zum Indischen Ozean. Unter Kokospalmen auf den Seychellen kann man sie ebenso treffen wie an den Flachseen von Ostafrika. Und mit ihnen andere Watvögel aus dem hohen Norden. Sie sind richtige Weltenbummler; weltläufiger als wir Menschen und frei von Umstellungsschwierigkeiten beim Wechsel vom Rand der Arktis in die Tropen und wieder zurück im nächsten Frühjahr.
Es sind also nicht nur Singvögel, die von schmackhaften Kleininsekten leben und sich die Vorteile der Fernwanderungen zunutze machen. Übrigens ist die Tundra nicht nur besonders reich an Insekten, sondern es gibt dort auch keine giftigen. Denn alle Larven von Insekten, die sich im Wasser entwickeln, nehmen keine Gift- oder Abwehrstoffe aus ihrer Nahrung auf. (Deswegen können wir auch alle Süßwasserfische essen, nicht aber alle, die aus Korallenriffen stammen.)
Und weil besonders große Mengen Wasserinsekten in der Uferzone von Seen und Flüssen aufsteigen, konzentriert sich dort das Vogelleben. Die dichtesten Vogelreviere gibt es übrigens im Röhricht mitteleuropäischer Seen: Knapp 100 Quadratmeter reichen dort einem Paar Teichrohrsänger fürs erfolgreiche Brüten – ein Röhrichtstück von nur zehn mal zehn Metern Größe! Verständlich, dass sich jemand dafür besonders interessiert, den wir alle kennen, aber immer seltener zu hören bekommen: der Kuckuck.
… wie der Mensch
die Umwelt verändert …
Der Schmutz liebende Kuckuck
Warum ist dieser bekannte Vogel so selten geworden?
Den Ruf des Kuckucks kennt jedes Kind. Zu hören und zu sehen bekommt man ihn immer seltener. Dabei gehört sein Ruf zum Frühling wie das Erblühen der Natur. Dennoch ist sein » Ruf« schlecht, weil er als Brutparasit die armen kleinen Singvögel ausnützt. Mit » Kuckuckskindern« bezeichnet man keineswegs nur Jungkuckucke, sondern die Ergebnisse von heimlichen Seitensprüngen, bei denen ein » Kuckucksei« in den Schoß der untreuen Frauen gelegt wurde. Aus moralischer Sicht sollte das Verschwinden des Kuckucks eigentlich begrüßt werden. Doch ausgerechnet bei diesem Vogel machen wir eine Ausnahme.
Der Kuckuck galt lange als Glücksbringer. Auf dem Land hieß es, man sollte die ersten Kuckucksrufe, die man hört, genau zählen, weil sie verraten, wie der Lohn ausfallen wird. Das war eine geniale Idee der Bauern, ihre Knechte und Mägde zu besonders frühem Aufstehen anzuregen, weil es in der Zeit der Rückkehr des Kuckucks aus dem afrikanischen Winterquartier Mitte bis Ende April so viel Arbeit auf den Feldern gab.
In den frühen Morgenstunden rufen aber die Kuckucke nicht nur am häufigsten, sondern auch am längsten. Später, wenn der Lohn allzu leichtfertig verpfändet worden war, » holte ihn der Kuckuck«. Und das mit den Kuckuckskindern in fremden Nestern nahm man in jenen Zeiten gar nicht so übel, weil es unter Menschen eine weit verbreitete Praxis war. Sie kam der genetischen Durchmischung der noch wenig mobilen Landbevölkerung insgesamt zugute.
Erstaunlich ist, wie viel man früher schon über das Leben des Kuckucks wusste. Schilderungen zufolge muss der Kuckuck früher erheblich häufiger gewesen und nahezu flächendeckend vorgekommen sein. Sogar in die Dörfer und Städte kam er, sodass die Vorstellung entstand, er würde sich im Herbst in Sperber verwandeln und die eigenen Zieheltern jagen. Den durchaus passenden Vergleich mit dem Sperber kann nur machen, wer den Kuckuck kennt. Und dass er die Eier oder die noch kleinen Jungen der Wirtseltern aus dem Nest wirft, gleich nachdem er selbst aus dem Ei geschlüpft ist, sieht man nicht so nebenbei. Warum aber ist der Kuckuck so selten geworden? Die Antwort darauf wird vielen Naturfreunden nicht gefallen. Unsere Natur ist inzwischen zu sauber!
Eine solche Feststellung sollte gut begründet sein. Sonst wird man » zum Kuckuck« geschickt. Gehen wir also ganz » mathematisch« vor, wie man es in der Schule lernt. Das geschieht in drei Schritten: Die Voraussetzungen
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