Naturgeschichte(n)
großen Alarm auszulösen und umfangreiche Forschungen anzuregen.
Die Ergebnisse sind beunruhigend und beruhigend zugleich aus. Beunruhigend, weil sich herausstellte, dass die Füchse draußen in den Wäldern stark vom Kleinen Fuchsbandwurm durchseucht sind. Bis zu 70 Prozent in manchen Gebieten. Beruhigend, weil bei umfangreichen Untersuchungen im Stadtgebiet, zum Beispiel von München, kein einziger Fuchs infiziert war. Und das, obgleich in den Wäldern südlich von München besonders viele Füchse den Bandwurm in sich tragen und daher bei der Beeren- und Pilzsuche besondere Vorsicht geboten ist.
Mit kleinen Radiosendern ausgestattete Füchse lösten das Rätsel. Die Funksignale zeigten, dass die Stadtfüchse in festen Revieren leben, die dicht aneinander grenzen. Fremde Füchse lassen die Stadtfüchse offenbar nicht in ihr Revier, nicht einmal » auf der Durchreise«. Und da sich die Stadtfüchse in beträchtlichem Umfang von Nahrung aus der Menschenwelt ernähren, infizieren sie sich offenbar auch nicht über die Mäuse, die Hauptüberträger draußen im Wald.
Es ist insofern also gar nicht so verkehrt, » seinen« Fuchs mit den Überresten der Feinkost zu versorgen. Das schützt davor, dass er den Kleinen Fuchsbandwurm in den Garten trägt oder in der Stadt verbreitet. Genauso wie das Füttern von frei laufenden Hauskatzen mit Dosenfutter die Gefahr, dass sie sich beim Mäuse-Mahl mit Würmern der verschiedensten Arten infizieren, stark vermindert. Was nicht gegen eine regelmäßige Entwurmung spricht, sondern ihre Notwendigkeit bekräftigt. Denn wo sich kein produktiver Wurmbestand halten kann, bleiben die Tiere, Haus- wie Wildtiere, auch vor ihnen verschont.
So können sogar weggeworfene Essensreste ihre guten Seiten haben. Oder sollen doch die Füchse lieber wieder aus der Stadt verschwinden? Es wäre schade um sie – und mit der Gefahr des Kleinen Fuchsbandwurms müssten wir trotzdem leben, draußen in Feld und Flur.
Das Stallschwein
und der wilde Eber
Warum zieht es das Wildschwein
in die Stadt?
Mehrere Tausend Wildschweine leben in Berlin. Und in vielen anderen Großstädten sind sie auf dem Vormarsch. Wie die schlauen Füchse sollen sie sogar gelernt haben, sich auf den Straßenverkehr einzustellen: nur bei Rot (für die Autofahrer) über die Straße, und das mit der ganzen Schar von Frischlingen im Schweinsgalopp. So etwas gab es doch vor ein paar Jahrzehnten noch nicht – haben sich die Wildschweine so stark vermehrt? Schließlich steigen seit den 1980 er Jahren die Abschusszahlen für die Wildschweine stark an – in Bayern von unter 5000 pro Jahr auf über 50 000 .
Doch nicht einmal in Berlin schafft der alljährliche Abschuss von Tausenden eine Verminderung der Bestände. Im Gegenteil: Die Schweine vermehren sich munter weiter. Wildschweinmütter säugen ihre Jungen am Straßenrand oder auch in den Gärten, die sie vorher gründlich umgegraben haben. Oder sie lassen es sich auf Autobahninseln gut gehen.
Schwieriger sollte es für sie sein, die Menschen richtig einzuschätzen, denn diese reagieren auf ein ausgewachsenes Wildschwein ja höchst unterschiedlich. Manche schreien hysterisch, andere machen großen Lärm, um sie zu vertreiben, und wieder andere kommen neugierig näher. Manche bringen sogar exzellentes Futter, andere, eher selten in der Stadt, den Tod. Aber die Jäger werden von den überlebenden Wildschweinen durchaus am Geruch erkannt, sodass sie die Menschen in gut (die allermeisten) und böse (einige wenige) einteilen können. Lästig sind manche Hunde. Dann muss Mutter Wildschwein ihre Jungen natürlich verteidigen, was den angreifenden Hunden nicht gut bekommt. Doch trotz allem lebt es sich für Wildschweine in der Stadt weit angenehmer als im Wald.
Nun, in alten Zeiten war das schon mal anders. Die Menschen trieben ihre Hausschweine, allesamt Abkömmlinge von Wildschweinen, mit komisch rosafarbenem oder geflecktem Körper, schwerfälligem Gang und den Hang zum Übergewicht, in die Wälder. So mancher Wildschweineber fand das großartig und zeugte Nachkommen mit den Hausschweinen, die dann leichtläufiger und schmalbrüstiger, kurz: lebenstüchtiger wurden.
Für die Schweinehirten war das von Nachteil. Die Halb-Wild-Halb-Hausschweinchen waren zu flott und zu freiheitsliebend veranlagt. Spezielle Hunde wurden eingesetzt, um die Hausschweine von ihrer wilden Verwandtschaft fernzuhalten. Schließlich hatte man doch viele Jahrhunderte lang auf Verhausschweinung hin gezüchtet.
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