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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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er in unserer Zeit Schlagzeilen macht, hat eine aufschlussreiche Vorgeschichte.
    Füchse, sein Hauptüberträger, wurden in früherer Zeit intensiv bekämpft. Die Jäger jagten sie, fingen sie in Fallen oder legten sogar vergiftete Köder aus. Denn der Fuchs galt als Hauptfeind des Niederwildes, das die Jäger für sich in Anspruch nahmen und nicht mit dem Fuchs teilen wollten. Aber die Fuchsbekämpfung hatte noch einen anderen Grund: die Tollwut. Diese für den Menschen lebensgefährliche und sehr schmerzhafte Viruserkrankung hatten vornehmlich Füchse verbreitet.
    Wo immer sich ein Fuchs am helllichten Tag zeigte oder sich gar den Menschen näherte, war höchste Vorsicht geboten. Denn bei Befall mit der Tollwut verloren die Füchse ihre Scheu und bissen im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung » wie toll« um sich. Verletzungen, in die der Speichel eindringen konnte, lösten dann auch bei Haushunden und Menschen die Tollwut aus. Auch Rehe und Rinder gehörten zu den Gefährdeten.
    Als eine Schutzimpfung gegen das Virus möglich wurde, präparierte man Hühnerköpfe damit und verteilte sie großflächig in der Landschaft, gebietsweise sogar von Kleinflugzeugen aus. Die Füchse wurden dadurch immunisiert. Für eine gute Wirkung der Schutzimpfung wurde gleichzeitig die Bekämpfung der Füchse eingedämmt. Nach wenigen Jahren war die Tollwut in Deutschland fast vollständig ausgerottet, weil mit der Immunisierung der Füchse die Kette beim Hauptüberträger unterbrochen worden war. Die Fuchsbestände nahmen zu. Trotzdem gab es nicht weniger Niederwild, und obendrein verlor das Fuchsfell an Wert. Auch der letzte Grund für das Interesse der Jäger an intensiver Fuchsbejagung war damit passé.
    Die Füchse wurden nun allmählich » sichtbar«. Sie schnürten auch am Tag durch die Landschaft und jagten ähnlich wie Katzen Mäuse. Irgendwann traute sich der eine oder der andere Fuchs hinein in die Gärten und Parks der Städte. Dort gab es nicht nur Mäuse und mancherorts auch Wildkaninchen wie draußen in Wald und Flur, sondern eine höchst reizvolle, vielfältige Nahrung aus der Menschenwelt. Essensreste wurden achtlos weggeworfen oder in Abfallkörben deponiert, aus denen verlockende Gerüche in die Fuchsnasen kamen.
    Es dauerte kaum ein Jahrzehnt nach der Tollwutbekämpfung, da hatten die Füchse die Vorzüge des Stadtlebens erkannt. Sie mussten allerdings lernen, dass Autos eine tödliche Gefahr sind – wenn auch eine beherrschbare. Denn Autos verlassen die Straßen nicht, um hinter Füchsen herzujagen. Man kann sie vorbeifahren lassen als kluger Fuchs. Und Füchse sind klug. Sie lernen schnell, merken sich viel und schätzen die Lage fast immer richtig ein.
    Menschen mit Hunden sind in der Stadt keine Jäger, wie das draußen der Fall ist, vor allem wenn der Jagdhund auch noch frei läuft und einen Fuchs verfolgen darf. Stadthunde sind friedlichere Genossen als Jagdhunde. Gärten bieten eine Art Sperrbezirk, in dem man ungestört verweilen oder gar die Jungen zur Welt bringen und aufziehen kann. Zudem wird man als Stadtfuchs mit Nachwuchs oft sogar noch besonders lecker gefüttert. Kurz: Es lohnt sich, in der Stadt zu leben, wenn man ein Fuchs ist.
    Man wird auch nicht einsam bleiben, denn andere Füchse erkennen die Vorteile der großen Freiheit in der Stadt genauso. Bereits in den 1990 er Jahren besiedelten die geschickten kleinen Verwandten des Hundes die Städte ganz ähnlich, wie ihre Vettern das in England schon Jahrzehnte früher getan hatten. Dort ließ man sie, weil es auf den britischen Inseln keine Tollwut gab. Hierzulande lässt man sie nun auch, weil die Tollwut keine Gefahr mehr darstellt, die Füchse das Stadtleben aber auf faszinierende Art und Weise bereichern. Schnell gewannen sie viele Freunde. Das Leben der Füchse wurde in der Stadt sicherer und reizvoller. Sie sind nicht mehr dauernd auf der Flucht, sondern auf spannender Entdeckungsreise.
    Bis eine Hiobsbotschaft kam: Bei gejagten Füchsen wurde der Kleine Fuchsbandwurm festgestellt. Der » Kleine« ist nicht etwa der harmlose, sondern der im Vergleich zu seinem großen » Verwandten« der weitaus gefährlichere für den Menschen. Man nimmt Eier davon unbemerkt auf, spürt nicht, dass der Bandwurm schlüpft und sich häufig in der Leber einnistet, bis diese anschwillt und ähnliche Symptome vermittelt wie Leberkrebs. Der Kleine Fuchsbandwurm hat bereits zu Todesfällen geführt; nicht viele in Deutschland, aber immerhin. Genug, um den

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