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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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in diesen Großstädten finden.
    Der Zusammenhang ist eindeutig: je größer die Stadt, desto reicher das Vogelleben, und umso mehr Vögel gibt es darin. » Armes Land!«, lautet der zutreffende Umkehrschluss. Dort verstummt das Lied der Lerche, vom Land verabschieden sich Rebhuhn und Wachtel. Viele Arten sind heute Raritäten. Macht da die Vogelwelt etwas verkehrt? Ganz und gar nicht. Denn bei den Schmetterlingen und Käfern, den bunten Blumen und all dem anderen Getier und den Pflanzen verhält es sich genauso.
    Die Städte werden immer artenreicher, während das Land verarmt. Die » Roten Listen der gefährdeten Arten«, die ohnehin in Deutschland rund die Hälfte aller noch vorkommenden Arten beinhalten, wären ohne die Städte noch viel länger. Dazu ergänzend drei Hinweise: Die vom Menschen direkt besiedelten Flächen, also Städte, Dörfer und Industriegebiete, nehmen rund zehn Prozent der ganzen Landesfläche ein. Deshalb klagen viele Naturschützer auch, dass die Städte das Land auffressen würden. Doch die Naturschutzgebiete umfassen nicht einmal zwei Prozent, also weniger als ein Fünftel der Stadtflächen. Dagegen sind militärische Sperr- und Übungsgebiete mehr als doppelt so groß wie die Naturschutzgebiete. Doch gerade wo Krieg gespielt wird, findet sich die größte Artenvielfalt auf engstem Raum, und es gibt dort die seltensten Arten. Die militärischen Übungsgebiete sind die Nummer 1 für den Artenschutz. Nummer 2 sind die Städte mit ihrer großen Artenzahl – erst dann kommen die Naturschutzgebiete. Die meisten von ihnen sind zu klein und zu starker Nutzung unterworfen, was ihrer Artenvielfalt sehr abträglich ist.

    Immer mehr Tierarten zieht es in die Stadt, wo es sich besser lebt
als auf dem zu intensiv bewirtschafteten Land.
    Wälder halten, da es sich fast nur um Forste, also um bewirtschaftete Wälder, handelt, eine Mittelposition. Die meisten Arten hat die Agrarlandschaft auf dem Gewissen. Sie macht allerdings mehr als die Hälfte, rund 55 Prozent, der Landesfläche aus. Vergleicht man sie mit den Städten, werden die wesentlichen Faktoren sichtbar, die Artenreichtum und -schwund verursachen. An erster Stelle sind Reichtum beziehungsweise Armut an Strukturen zu nennen. Städte sind besonders gut strukturiert, das Agrarland wurde » aufgeräumt« und in produktionstechnischer Hinsicht vereinheitlicht. Außerdem ist die Flur seit Jahrzehnten überdüngt. Das schränkt die Artenvielfalt sehr stark ein. Nur wenige Pflanzen- und noch weniger Tierarten vertragen die Überdüngung. In den Städten gibt es sie dagegen gar nicht. Und draußen in Flur und Wald werden viele der größeren Tierarten gejagt, sodass sie scheu sind.
    Die Städte bieten ihnen eine friedliche Umwelt ohne Verfolgung. Das vermindert die Scheu. Die Stadtbevölkerung erfreut sich am reichhaltigen Tier- und Pflanzenleben hingegen eher, weil dieses hier im Gegensatz zum von Landwirtschaft dominierten Land nicht oder nur gelegentlich mit ihren persönlichen Interessen in Konflikt gerät. Man ist tolerant. Die Marder, die an so vielen Autos schon teure Schäden verursacht haben, werden nicht mit allen Mitteln ausgerottet. Vögel werden intensiv gefüttert, Gärten blumenreich bepflanzt, was zahlreichen Insekten zugutekommt. Der Großstadtdschungel wächst und gedeiht. Es ist spannend, sich in sein Leben hineinzuvertiefen.

Die anspruchsvolle Kornrade und
der genügsame Löwenzahn
    Dürfen sich in unserer heimischen Tier- und Pflanzenwelt fremde Arten mischen?

    Invasionen drohen uns! Die Aliens sind schon da! Die Fremden bedrängen die Einheimischen, breiten sich auf ihre Kosten aus und verursachen jede Menge Probleme. Ihre Bekämpfung kostet viel Geld! Sie sind kaum noch loszuwerden, haben sie erst einmal Fuß gefasst! So lauten vielfach die Schlagzeilen.
    Es geht um Tiere und Pflanzen, die bei uns einwandern und sich ausbreiten. Werden sie dabei » auffällig«, gelten sie als » invasiv«. Weltweit erachtet man sie als eine der Hauptbedrohungen für den Erhalt der Lebensvielfalt, der Biodiversität. Sind die Kreuzzüge gegen die » Fremden« berechtigt? Oder wird, wie so oft, übertrieben? In dieser Diskussion um die » Fremden« steckt enorme sozialpolitische Brisanz. Das geht schon aus der Wortwahl hervor.
    Wenn in durchaus seriösen Zeitschriften zu lesen ist, dass sich die Fremdlinge ausbreiten wie ein Krebsgeschwür, infiltrierend und metastasierend, dann erschrickt man. Ausdrucksweisen dieser Art, auch die Trennung in

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