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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
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Wiesen. Wildbienen brauchen solch sonnige, sich rasch aufwärmende Stellen, ebenso Grillen und viele Heuschrecken, Käfer oder auch Wanzen. Die Eidechsen fanden dort Wärme und Nahrung sowie die Stellen, an denen sie ihre Eier ablegen und von der Sonne » ausbrüten« lassen konnten. Der weitaus größte Teil der heimischen Tagfalter lebt auf solchem Gelände und natürlich auch die unterschiedlichsten Arten von Ameisen.
    Dickes, kniehohes Grün, wie es die viel zu stark gedüngten Wiesen tragen, wird in Bodennähe rasch kalt und nass, weil die Pflanzen so viel Wasser transpirieren. Wer sich im Mai, wenn das Gras kniehoch gewachsen ist, in so eine Wiese setzt, spürt und sieht das. Die Flur wird seit über 30 Jahren überdüngt. Die Pflanzen wachsen daher im Frühjahr für die wärmebedürftigen Kleintiere viel zu dicht und viel zu schnell. Die empfindlicheren, ebenfalls Licht und Wärme benötigenden Pflanzen werden von der Übermacht der wenigen Arten erdrückt, die mit der Überdüngung bestens leben können, wie der Löwenzahn.
    Das gilt, wie bereits gesagt, nicht nur für Pflanzen, sondern auch für Tiere. Deshalb macht sich die Feldlerche so rar, dass wir ihren Morgengesang draußen auf den Fluren kaum noch zu hören bekommen. Die Rebhühner sind dabei, großflächig auszusterben. Den Feldhasen behagt das dauerfeuchte, zu dichte Gras auch nicht. Sie kamen einst aus den südöstlichen Steppen und fanden die mageren Wiesen und Felder für ihre Lebensansprüche ideal. Die Junghäschen sterben, wenn das Frühjahr zu nass verläuft. Da nützt auch die sprichwörtliche Fruchtbarkeit der Hasen und ihrer Verwandten, der Kaninchen, nichts. Es geht begab mit ihren Beständen, zum Leidwesen der Jäger, die mit Wehmut an die guten alten Zeiten zurückdenken, in denen sie Hasen auf der Jagd fast so nebenbei schießen konnten.
    Über die Hälfte unseres Landes nehmen landwirtschaftliche Nutzflächen ein. Fast alle Tiere und Pflanzen in Feld und Flur sind zahlenmäßig im Rückzug begriffen. Viele sind schon auf der Strecke geblieben. Nun sollten aber gerade die Felder und Wiesen der wärmste Lebensraum sein, weil dort keine großen Bäume kühlenden Schatten werfen. Tatsächlich sind sie aber kälter geworden – deutlich kälter als die mit Gebäuden dicht besetzten Städte. In diesen, nicht in der freien Natur, ist es am wärmsten. Die Temperaturen liegen im Durchschnitt zwei bis drei Grad Celsius über denen der sie umgebenden Fluren. Und wie reagierten die in den Städten lebenden Tier- und Pflanzenarten? Sie entwickelten sich positiv; in vielen Fällen sogar so gut, dass heute die Stadtvorkommen wie Rettungsinseln für die betreffenden Arten wirken.
    Doppelt so viele wild wachsende, heimische Pflanzenarten wie auf gleich großen Flächen im Umland stellte der Botaniker Werner Konold im Stadtgebiet von Nürnberg fest. Noch gravierender ist dieser Befund bei den nachtfliegenden Arten von Schmetterlingen, wie eine langjährige Untersuchung in München, die Stadtrand und intensiv landwirtschaftlich genutzte Flur verglich, zeigte.
    Gäbe es Städte und Siedlungen nicht, hätten wir fast gar keine wärmebedürftigen Pflanzen- und Tierarten mehr. Denn auch der Wald ist kein Refugium mehr. Die Waldentwicklung der letzten Jahrzehnte war auf Verdichtung ausgerichtet. Kahlschläge gelten als unzeitgemäße Bewirtschaftungsform, die der Waldnatur schadet. Die Tiere und sehr viele Pflanzenarten sehen dies allerdings anders. Auf den Kahlschlagflächen tummelten sie sich viele Jahre lang in großer Vielfalt, bis der nachwachsende Wald sein eigenes kühles Klima geschaffen hatte und von den Sonnenstellen nur noch Lichtflecken zurückblieben.
    Sollte es tatsächlich in den nächsten Jahrzehnten um zwei bis drei Grad Celsius wärmer werden, könnten die allermeisten frei lebenden Tier- und Pflanzenarten nur gewinnen. Für solche, die kühle, schattige und feuchte Stellen brauchen, bliebe immer noch ausreichend Lebensraum dank der stark verdichteten Vegetation.
    Ist Deutschland nun ein Sonderfall, weil es so stark überdüngt wird? Unser Land ist in dieser Hinsicht zwar ein Extremfall, aber es fällt nicht komplett aus dem Rahmen. Auch unsere Nachbarländer mit vergleichbar intensiver Landwirtschaft sind überdüngt, vor allem Holland und Dänemark. Ohne das Übermaß an Düngung gäbe es in diesen Küstenländern auch mehr magere, sonnig-warme Flächen mit großem Artenreichtum.
    Doch wie der Trend aussieht, können wir bei Reisen ins

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