Naturgeschichte(n)
gegen die alten zurück. Weil es attraktiver ist, an den Touristen Geld zu verdienen, die die Bären sehen und fotografieren wollen.)
Mit » Zivilisation« hat das alles recht wenig zu tun. Umso mehr mit der Einstellung der Bevölkerung. Unsere hier in Deutschland nimmt nach wie vor den zigtausendfachen Abschuss von Hauskatzen hin, die draußen auf der Flur am Mauseloch sitzen, aber als » streunend« eingestuft werden. Auch viele Hunde werden erschossen, weil sie hätten wildern können. Da wird es schwer, seitens der Bevölkerung genügend Druck aufzubauen, den sofortigen Abschuss von Wölfen zu verhindern, obgleich es sich um eine EU-weit geschützte Art handelt. Umso bewundernswerter ist es, dass in Ostdeutschland tatsächlich einige Wolfsrudel leben dürfen. Eine solche Entscheidung hat viel mit » Kultur«, aber wenig mit » Zivilisation« zu tun. In dieser Hinsicht sind längst nicht alle Regionen in Deutschland gleichgeschaltet.
Blühende Rapsfelder
und der Falke im Turm
Warum möchten wir die Natur
lieber aufgeräumt?
Wenn wir hinaus in Wald und Wiesen wandern, dann haben wir eine feste Vorstellung, wie es dort aussehen soll: Für das » Naturfoto« wird die passende Kulisse gesucht, die zumindest den Eindruck von etwas Wildnis, aber eben von aufgeräumter, nämlich gut über- und durchschaubarer Wildnis, bietet. Alles wird genau inszeniert. Der Rehbock soll dann möglichst vor der blühenden Schlehenhecke stehen und nicht vor Hochhäusern am Stadtrand. Sogar die bis zum Horizont gelb blühende Löwenzahnwiese oder ihr inzwischen noch häufiger vorkommendes Gegenstück, das blühende Rapsfeld, eignen sich zu Werbezwecken für die Schönheit der betreffenden Landschaften. Nur weil der Ausblick weit, bis zum Horizont offen und das Motiv voller goldgelber Farbe ist.
Doch mit » echter« Natur hat so eine Szenerie gar nichts mehr zu tun: Das Häusermeer einer Großstadt enthält, wie bereits ausgeführt, ein reichhaltigeres Tier- und Pflanzenleben als solche Monokulturen. Und doch lassen wir uns vom Bild täuschen. Vielleicht ist unsere Wahrnehmung, von der wir alle so viel halten, doch einfacher gestrickt, als wir annehmen.
Wir reagieren auf einfachste Schemata. Minibildchen, die stark vereinfachen, Piktogramme, verstehen wir sofort. Denn je einfacher das Bildmotiv ist, desto weniger Nachdenken ist nötig. Die Werbung kennt unsere Schwächen und nutzt sie aus – und zwar täglich, überall.
In Bezug auf die Natur bedeutet das, dass wir sehr leicht auf unser zu stark vereinfachtes Vorurteil hereinfallen. So wie uns Natur gezeigt wird, wie man sie » vorführt« und für uns inszeniert, so hat sie zu sein. Diesen Schluss ziehen wir selbst. Ganz automatisch. Niemand muss sagen: » Prägt euch dieses Bild ein. Es soll das Leitbild sein!«
Der Naturschutz bedient sich dieser festen Vorstellungen in seinen Zielsetzungen und Argumentationen. Sie legen fest, wie die Natur sein soll, damit sie gut und richtig ist. Weicht sie davon ab, weil die Tiere und Pflanzen anders sind, nämlich sich selbstständig weiterentwickelt haben, werden die Leitbilder nicht etwa dementsprechend geändert. Im Gegenteil. Abwertend heißt es dann, dies sei ja nur » Sekundärnatur« oder » menschengemachte, gestörte Fläche«.
Der Wanderfalke soll am steilen Felsen im einsamen Waldtal horsten und nicht an den Türmen eines städtischen Heizkraftwerks, auch wenn er dort sicherer als draußen in der » echten« Natur seine Brut großzieht. Oder der frei fließende Fluss ist besser als der Stausee, auch wenn dieser so unglaublich reich ist an Wasservögeln seltenster Arten und so wichtig als Rast- und Überwinterungsgebiet, dass ihm der Status eines Europareservats zuteil wird.
Auf Bildern sollen selbstverständlich keine Dämme zu sehen sein, während der frei fließende Fluss durchaus im Korsett einer massiven Uferverbauung mit tonnenschweren Granitblöcken dahinströmen darf. Man sieht ja nicht, dass das Ufer nicht natürlich ist. Ein Flughafen ist ein Flughafen und kein » Biotop«, auch wenn darauf die im Binnenland so selten gewordenen, streng geschützten Großen Brachvögel brüten und neben den Start- und Landepisten Hunderte von Lerchen singen. Diese Vögel dort wahrzunehmen würde unser fest geprägtes Naturbild stören. Sie gehören hinaus auf die Wiesen und Felder, wo sie allerdings nicht mehr leben können, weil diese Flächen zu intensiv bewirtschaftet werden.
An diese neue Art von Landschaft hat man sich
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