Naturgeschichte(n)
mittlerweile so sehr gewöhnt, dass gar nicht mehr auffällt, wie verarmt sie an Arten ist. Doch sie bedient das Schema von » freier Natur«, in die man, weil die Straßen gesperrt und nur für die Land- und Forstwirtschaft zu befahren sind, nach Belieben zu Fuß hineingehen und sich am spezifischen Güllegeruch der Landluft laben kann.
Aber wehe, wenn im Stadtpark ein Baum gefällt wird oder gleich mehrere. Dann wirkt diese Bildstörung als schwerer Eingriff in die Natur. Wie sehr auch dort, wo es wirklich nicht sein müsste, aufgeräumt und Ordnung geschaffen wird, fällt heute kaum noch jemandem auf. Den Kindern am ehesten, weil sie kein Gebüsch und Dickicht mehr haben zum Spielen. Es ist der Ordnung zum Opfer gefallen, die gleich mit » Betreten verboten« bekräftigt wird. Und auch die Paare, die lieber in einer grünen Nische allein sein würden, als mitten unter anderen Menschen » zur Erholung« auf der Liegewiese zu sitzen, vermissen das » unordentliche« Gebüsch sehr.
Dieser besonderen, lieblosen Ordnungsliebe mit den Rasiermaschinen als Landschaftspflegern fallen all die vielen kleinen und größeren Randbereiche zum Opfer, in denen sich die Fülle des Lebens angesammelt hat. Und darf sie sich doch einmal eine Zeit lang entfalten, weil die Finanzmittel für die Pflege knapp geworden sind (ihr Fehlen wäre ein Segen für Natur und Mensch!), wird den Stadtverwaltungen oder dem Grundbesitzer gleich die Verwahrlosung oder Verwilderung vorgeworfen. Nein, Wildwuchs will man nicht (wer eigentlich ist dieses » man«?). Auch die Natur braucht unsere Menschenordnung, Pflege genannt. Ohne die ordnende Hand verwildert sie. Wie auch die Menschen, denen keine entsprechend gepflegten Erholungsgebiete verordnet werden können.
Wird uns diese äußere Ordnung vielleicht verordnet zum Ausgleich für die herrschende innere Unordnung? Damit es so aussieht als ob – alles in bester Ordnung wäre! Wie gut, dass unsere Nachbarn um Deutschland herum das wesentlich anders sehen! Wie gut auch für die Natur!
… und die Natur
sich selbst verändert.
Von Krautköpfen mit Raupen
Was ist eigentlich Ökologie?
Ökostrom, Ökokleidung, Ökourlaub, Ökojoghurt und Ökospülmittel, sogar Ökoautos – logisch kann nur noch sein, was auch öko-logisch ist. Mutter Erde leidet unter ihrem schlimmen Sohn, der auf ihr seine ökologischen Fußabdrücke hinterlässt. Ökoaktivisten lassen sich zwar nicht gleich ans Kreuz, aber an Fabrikschornsteine und Bahngleise ketten. Was ist da noch Wissenschaft in der Ökologie? Ist sie überhaupt eine Wissenschaft?
Die Ökologie als Wissenschaft gibt es nach wie vor, auch wenn sie im allgemeinen Ökogetöse ziemlich untergegangen ist. Wie alle Wissenschaften hat sie zeit- und umständebedingte Schlagseiten, wenn es um die Anwendung ihrer Befunde geht. Dann wirken (edle) Zielsetzungen durchaus zurück auf die Forschungen. Davon unten mehr. Eine andere, kaum noch bemerkte Tatsache sollte vorab festgestellt und in Zusammenhang mit der Ökologie gebracht werden. » Öko« steckt nicht nur in der Ökologie, sondern auch in der Ökonomie. Und so hätte sie auch heißen sollen, die neue Wissenschaft vom Haushalt der Natur, die der deutsche Biologe Ernst Haeckel 1866 als Begriff schuf.
Aber Ökonomie war bereits vergeben. Deshalb behalf er sich in Anlehnung an die Biologie und Zoologie, er selbst war schwerpunktmäßig Zoologe, mit der anderen Möglichkeit, der Ökologie. Kernstück seiner neuen Wissenschaft war die Hauswirtschaft. Das war ein grundlegendes Missverständnis, das sich aus dem Selbstverständnis von Haeckels Zeit erklärt. Die Hauswirtschaft hatte einen Vorstand, der alles regelte, was in den mehr oder weniger vielen Räumen und Stockwerken des Hauses vor sich ging. Wie in jeder guten Wirtschaft durften die Ausgaben die Einnahmen in der Bilanz nicht übersteigen. Wie unvermeidlich beim Wirtschaften werden Materialien und Energie benötigt, um den Betrieb am Laufen zu halten. Der Umsatz erzeugt Abfälle, die zu entsorgen sind. Eine gute Hauswirtschaft setzt voraus, dass alles entsprechend abgestimmt aufeinander funktioniert.
Ernst Haeckel lebte in einer Zeit, die stark darauf ausgerichtet war, dass Familienoberhäupter im Haus alles im Griff hatten und der Staat als Oberhoheit darüber wachte. Er war zudem ein ausgeprägter Ästhet und ein hervorragender Künstler für naturgetreues Zeichnen. Zweifellos war er vom romantischen Gedankengut einer schönen, gesunden Natur beeinflusst,
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