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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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Kontrolle mehr über seine Soldaten, die nur noch um ihr eigenes Leben schwammen, flohen oder sich mit dem Mut der Verzweiflung verteidigten.
    »So macht man das!«, rief Turéor ihm zu, als der Fürst in greifbare Nähe kam.
    Doch bevor er sich mit dem Schwert auf ihn stürzen konnte, versperrten ihm die letzten verbliebenen vier Gardisten den Weg.
    »Warte auf mich!«, rief Jemuma. Die beiden Alten ließen sich nicht aufhalten, sie griffen gemeinsam die Gardisten an, die zögernd die Schwerter hoben.
    »Keine Gnade!«, befahl Janwe. »Tötet sie!«
    Die Gesichter der Gardisten verhärteten sich daraufhin, sie würden sich nicht gegen den Befehl stellen.
    Jemuma starb als Erste, da sie den Gardisten hoffnungslos unterlegen war. Dennoch gelang es ihr, das Messer tief in den Arm eines Mannes zu rammen, bevor sein Schwert in ihren Leib drang und ihr Herz zerfetzte. Während das Blut aus ihrem Mund sprudelte, gelang ihr ein letztes Lächeln, das sie Turéor schenkte, der ihr aufmunternd zurief: »Geh nur voraus, ich komme gleich nach!« Dann entriss er dem Verwundeten das Schwert, stieß ihn beiseite und griff die übrigen drei mit zwei wirbelnden Klingen an.
    Turéor machte es ihnen nicht leicht. Er fuhr wie ein nicht greifbarer Aal durch die Feinde hindurch, teilte Hiebe nach allen Seiten aus, und zeigte in einem letzten, das Wasser aufwühlenden Tanz seine wahren Künste. Die drei Gardisten setzten sich mit aller Kraft und Können zur Wehr, doch das reichte nicht aus. Selbst als der Verwundete noch helfend eingreifen wollte, behielt Turéor die Oberhand und zeigte ihnen, dass er eine Technik beherrschte, die heute niemand mehr kannte, und die besser war als alles, was sie zusammen zu bieten hatten.
    Doch die Gardisten konnten die ihnen erteilten Lektionen nicht mehr verarbeiten. Einer nach dem anderen starben sie, und dann war der Weg frei zu Janwe.
    Turéor hielt die beiden Schwerter vor sich gekreuzt, während er auf den Fürsten zuschwamm, der ihn kampfbereit erwartete.
    Doch kurz bevor er ihn erreichte, hielt der alte Nauraka abrupt an, und ein staunender Ausdruck trat auf sein Gesicht. Dann lächelte er.
    »Du musst ein Spieler sein, Janwe, bei so viel Glück«, stieß er mit dem letzten verbliebenen Atem aus. Seine Kräfte waren vollends aufgebraucht, und das Gift tat seine Wirkung.
    »Ich werde dich töten, alter Mann, und mich damit brüsten, den Letzten der königlichen Sippe besiegt zu haben«, zischte Janwe.
    »Zu spät«, sagte Turéor vergnügt. »Ein anderer wird dich der verdienten Strafe zuführen. Ich habe meine Rache gehabt, und deine zwei Hundertschaften sind verloren. Sieh hin! Eine schmachvolle Niederlage, die sich rasch herumsprechen wird, denn wir sind längst nicht mehr allein. Viele Zuschauer haben sich eingefunden, ich kann sie alle spüren, und jeder von ihnen sieht, wie ich sterbe – und nicht durch deine Hand. Und auch der Alte Feind hat mich verloren, für immer.«
    Turéor hatte alles gesagt, was es noch zu sagen gab und ließ freudig los, die Schwerter entglitten seinen kraftlosen Händen und sanken rasch zum Grund hinab, denn die Zeit der Waffen und des Blutes war vorbei. Der alte Nauraka breitete die Arme aus, blähte die Häute auf, dass es aussah, als trüge er Schwingen, und drehte sich langsam auf den Rücken, schwebte ruhig, von seinem Element getragen.
    In diesem Augenblick brach Licht von oben herunter, Helldämmer zog auf, und ein einzelner Sonnenstrahl aus der weiten Ferne des Himmels fiel auf das Wasser, und hindurch, bahnte sich unbeirrt seinen Weg durch das Zwielicht über die blaue Grenze hinweg, fand sein Ziel und umhüllte den Sterbenden mit strahlendem Schein.
    Janwe wich mit einem Ausdruck des Entsetzens zurück, und selbst die Kämpfe ruhten für einen Augenblick, als der letzte der naurakischen Könige in seinem Tode ins Licht aufgenommen wurde. Wie ein Stern strahlte er weithin und warf seinen Schatten, der Flügel zu besitzen schien, scharf umrissen bis auf den Grund.
    »In deine Hände, Lúvenor«, hauchte Turéor und war es zufrieden.

12.
Der Fluch

    Dullo raste mit weiten Schlägen seiner stetig auf- und abschwingenden Flossen dahin, ohne müde zu werden. Die Geschwister schwiegen, jeder war mit seinen Selbstvorwürfen beschäftigt. Erenwin haderte mit sich, weil er Turéor im Stich gelassen hatte, und Lurdèa, weil sie Janwe nicht aufgehalten hatte. Sie brauchten keine Worte zu tauschen, um die Gedanken des anderen zu kennen.
    Wohin sind wir gekommen? ,

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