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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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auf seinen Rücken brannte. Es fühlte sich an wie ein Vulkanschlot, dem Erenwin einmal zu nahe gekommen war und der ihm die Kleidung weggesengt hatte; einige Zyklen lang hatte er Brandblasen auf dem nackten Rücken getragen, bis er wieder Kleidung anlegen konnte.
    Doch es gab kein Zurück mehr. Die Beine waren schon fast aus dem Wasser, und Erenwin spürte, dass sie nicht mehr miteinander verbunden waren. Als er sich mühsam drehte und an sich hinabsah, erblickte er zum ersten Mal seine Füße ohne Schwimmhäute und die Flossenfortsätze. Alles ans Meer Angepasste hatte sich zurückgebildet, und nun sahen seine Füße so aus wie die von Hallogs Gehilfen, schmal und mit kleinen Zehen, die er einzeln bewegen konnte, wenn er sich anstrengte. Diese zerbrechlichen Füße sollten sein ganzes Gewicht tragen? Auf ihnen sollte er aufrecht stehen und gehen können?
    Noch ein Stück, nur ein kleines weiteres Stück, damit er das Wasser endgültig hinter sich ließ, das Ufer hinauf, um vielleicht dahinter in einer Senke Schatten zu finden. Dorthin wollte er sich zurückziehen, bis es dunkler wurde und er den nächsten Schritt wagen konnte.
    Er fasste sich an den Hals, doch die Kiemen waren bereits vollständig verschwunden, auch zwischen seinen Fingern war kein Häutchen mehr. Er war nicht mehr von einem Landgänger zu unterscheiden. Das machte vieles einfacher.
    Erneut stemmte er die Hände in den Sand, spannte seine Muskeln an und versuchte seine Beine mit einzusetzen. Er keuchte, Öl lief aus seinen Gesichtsporen, rann über die Brauen zur Nasenwurzel und tropfte von dort aus in den Sand. Tatsächlich gelang es ihm, auch die Füße so zu verankern, dass er seinen Körper aus dem Sand erhob.
    Ja! , dachte er triumphierend, und wenn er noch Kraft gehabt hätte, hätte er laut geschrien. Ich schaffe es! Es wird mir gelingen!
    Dann wurde ihm schwarz vor Augen, und er sackte bewusstlos zusammen.

    Laoren hatte das unbestimmte Gefühl, er sollte heute früher an den Strand gehen. Und weil er stets auf diese Regungen und Eingebungen achtete, zögerte er auch diesmal nicht, sondern machte sich umgehend auf den Weg. Und da er schon dabei war, nahm er auch gleich eine lange Schlinge, Messer, Netz und dergleichen mehr mit, was ein Treibgutsammler eben so brauchte. Obwohl es in letzter Zeit kaum Wetterumschwünge gegeben hatte und das Meer sich von seiner freundlichen Seite zeigte, würde er heute etwas finden, da war er sich sicher. In den letzten Tagen hatte er nichts entdeckt, trotzdem war er am Strand auf- und abgelaufen. Man wusste ja nie, so manches Goldstück war auf diese Weise schon in den Beutel eines armen Mannes gewandert.
    Obwohl, das mit dem schönen Wetter stimmte nicht ganz. Vor mehreren Tagen hatte es fern über dem Meer so etwas wie ein Gewitter gegeben, das jedoch nicht natürlichen Ursprungs gewesen sein konnte. Trotz sonnigen Himmels ringsum war es über einer ganz bestimmten Stelle dunkel geworden, ein Orkan hatte sich zusammengeballt, Blitz und Donner schlugen aus schwarzen Wolken, die aus dem Nichts entstanden schienen. Und dann waren Wale aus dem Wasser gesprungen, so hoch wie nie zuvor, und klatschend wieder aufgeschlagen. Laoren hatte ihre pfeifenden Schreie, die ein ebenfalls unnatürlicher Wind mit sich gebracht hatte, bis nach Hause gehört. Dies war kein Zeichen der Freude, sondern der Furcht gewesen. Die Wale hatten versucht, der See zu entfliehen!
    Dann wurde das Meer plötzlich blutrot und fing an zu leuchten, und Laoren strengte seine alten Augen an, als er das Gefühl hatte, dass weit entfernt, schon fast am Horizont, etwas Gigantisches aus dem Wasser aufstieg, hoch und immer höher, umgeben von weißer Gischt. Und das Unwetter darüber schien erst recht in Zorn zu geraten, denn Blitze prasselten auf den titanischen Schemen herab, begleitet von krachendem Donner, und es wurde noch dunkler. Über den Donner hinweg glaubte Laoren ein Brüllen zu hören, das nicht von dieser Welt schien. Die tobenden Elemente kämpften bis zum Abend miteinander, dann versank alles im Dunkel der Nacht. Laoren konnte nichts mehr erkennen, und er hörte auch nichts mehr.
    Am Morgen lag die See still und ruhig.
    Seitdem hielt der Sammler jeden Tag Ausschau nach Ungewöhnlichem, denn er kannte die Umschließende See nur zu genau, schließlich erlebte er sie jeden Tag. Sie war die Seele Waldsees, schenkte das Leben, doch sie war auch launisch und tückisch und immer für eine Überraschung gut. Man durfte ihr nie trauen. Sie

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