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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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überhaupt nichts tun, als einfach nur nach Luft zu schnappen. Die Kräfte hatten sie längst verlassen, die Finger waren von den Gittern geglitten, und sie lag zwischen all den Fischen und fühlte nur Pein, weil sie die Schwerelosigkeit verloren hatte.
    Halb bewusstlos, mit trüben Augen bekam sie mit, dass der Käfig geöffnet wurde und die Fische über den harten Boden flossen. Die Sonne stach ihr ins Gesicht, und sie wimmerte, weil es in den Augen schmerzte. Jemand packte sie an den Armen und zerrte sie heraus; in den Schatten, und sie blinzelte erleichtert. Sie wurde an eine Wand gelehnt, aufgeregt rannten die Leute hin und her und schrien sich gegenseitig etwas zu. Jemand kippte einen Eimer Wasser über ihr aus, und sie schmeckte Süße, ganz anders als die See.
    Sie versuchte sich zu bewegen, aber das war nicht möglich, auf ihr lastete das Gewicht eines ganzen Felsens. Als sie an der Wand hinabrutschte, half man ihr wieder, sich halb aufzusetzen und anzulehnen, und schob ihr die Haare aus dem Gesicht.
    Endlich konnte sie ihren Blick scharf stellen, und sie erkannte das faltenreiche Antlitz eines Mannes in verschlissener Kleidung, der sie zahnlos angrinste. 
    »Na, geht’s wieder, kleine Meerling?«, fragte er. 
    Lurdèa brauchte eine Weile, um ihn zu verstehen, doch immerhin war es möglich. »Wo …«, setzte sie mit krächzender, ungeübter Stimme an.
    »Sie spricht?«, schrie jemand. »Kommt schnell, die Meerling kann reden!«
    Im Nu war Lurdèa von einer Menge nackter Füße umstellt, die zu Männern unterschiedlichen Alters, Hautfarbe und Aussehen gehörten. Doch allen gleich war die farbenfrohe, leicht abgerissene Kleidung.
    »Los, sag was!«, forderte sie ein rothaariger, sommersprossiger Jüngling auf. »Irgendwas!«
    »Friedvoller … Gruß …?«, sagte sie zögernd.
    Daraufhin kicherten alle begeistert, machten jedoch eilig, dass sie fortkamen, als eine polternde Stimme ertönte: »Weg da! An die Arbeit, ihr Faulpelze, oder ich kürze euren Anteil!«
    Lurdèa sah einen gewichtig aussehenden Mann auf sich zukommen, der so etwas wie eine Uniform trug. Nicht direkt eine Rüstung, sondern der Teil darunter, wie ihn Ragdurs Garde bei bestimmten Anlässen trug.
    »Beim Barte meiner Frau«, sagte er, ging neben ihr in die Hocke und nahm sie aus hellen Augen genauer in Augenschein. Sein Gesicht war grobschlächtig und ohne besonderen Ausdruck. »Du bist eine von den Alten, stimmt's?«
    Zaghaft nickte Lurdèa. »Und du bist …«
    »Ein Mensch. Horwik aus Lamur, der prächtigen Seestadt im Land Nerovia. Sind dir diese beiden Orte ein Begriff?«
    »Nein«, musste sie zugeben. »Ich habe die Tiefe noch nie verlassen.«
    Seine Augen weiteten sich. »Willst du damit sagen … du bist tatsächlich eine Meerling, und nicht eine von den Schwimmenden Seevölkern, die während des Sturms von der Plattform fiel?«
    »Ich … ich lebe dort unten, nicht oben. Bitte … kann ich wieder zurück? Ich muss dringend nach Hause …«
    »Nun, nun, hrm , so beruhige dich, da wird sich schon ein Weg finden«, beschwichtigte Horwik. »Sag mir erst mal deinen Namen.«
    »Lurdèa.« Alles Weitere ließ sie weg. Janwe hatte sie Misstrauen gelehrt. Womöglich kannten diese Landgänger hier ihren Ehemann sogar noch, schließlich hatte er erzählt, dass er einige Zeit an Land bei Fischern gelebt habe.
    »Hübsch. Bedeutet er was?«
    »Nicht in Worten«, sagte sie. Sie konnte es in ihrem Geist formulieren, aber nicht aussprechen. Alle Namen der Nauraka waren von Bedeutung, sie wurden nie zufällig vergeben. Doch diese Bedeutung konnte nur in Tanz und Gestik ausgedrückt werden, in einem entsprechenden Bild. Stimmsprache benutzten Nauraka nur für die normale, schnelle Verständigung, Körpersprache und Haltung waren sehr viel intensiver und ausdrucksvoller, auch die Botenstoffe, die man abgab.
    Das würde dieser Landgänger vermutlich nie verstehen, er verfügte nicht über feine Sinne, sonst würde er keine solchen Fragen stellen und respektvoller sein.
    »Aha. Nun …« Horwik unterbrach sich, als ein weiterer Mann hinzutrat, dessen stechende Augen keinen guten Eindruck auf Lurdèa machten. Er war schmal und dünnlippig. »Ja, Palong?«
    »Kapitän, wir müssen uns beeilen, wenn wir den Markt noch rechtzeitig erreichen wollen«, setzte der Palong genannte Mann an. »Unsere Fangerfolge sind bisher eher bescheiden, und da wäre noch dieses Problem mit Euren … Verbindlichkeiten.«
    »Worauf wollt Ihr hinaus, Händler?«
    »Nun …

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