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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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sollte. Ihr Vater würde sie keineswegs mit offenen Armen empfangen, nachdem sie ihre Pflicht vernachlässigt hatte. Ihn würde es wenig kümmern, wie Janwe seine Tochter behandelte, solange zwischen den beiden Reichen alles bestens stand. Und äußerlich war Lurdèa auch nichts anzusehen, die Narben trug sie alle innerlich. Wenn Janwe sie körperlich misshandelt hatte, hatte er immer sehr genau darauf geachtet, dass nichts auf Dauer zurückblieb.
    Ob Erenwin es geschafft hatte? Und Janwe, hatte er sich nach dem Sturm zurückziehen müssen, oder war er bereits nach Darystis unterwegs?
    An dieser Stelle ihrer Überlegungen angekommen, war Lurdèa klar, was sie tun musste – auch wenn sie Angst davor hatte. Vor allem davor, dass Ragdur sie Janwe einfach wieder übergeben würde, um den Frieden zu wahren. Aber das Volk musste gewarnt werden, sie musste es allen sagen und auch Erenwin beistehen, falls er vor ihr eingetroffen war. Sie konnte sich nicht einfach abwenden, die Wahrheit musste bekannt werden, auch wenn sie keiner hören wollte. Aber Lurdèa wollte keinen Zweifel an sich aufkommen lassen.
    Sie zitterte vor Angst, vor der Reise an sich und der Begegnung mit ihrem Vater. Aber auch wegen der Zeitnot, und weil sie sich so verloren fühlte. Selbst in ihrem Gefängnis war immer jemand um sie gewesen, doch jetzt … war sie zum ersten Mal in ihrem Leben völlig allein und auf sich gestellt.
    Genau das Abenteuer, das Erenwin sich immer gewünscht hatte, nicht wahr? Nur, dass sie trotz seiner Begeisterung keinen Anteil daran haben wollte.
    Genug der ablenkenden Gedanken, sie musste jetzt in die Tiefe. Lurdèa streckte die Arme aus und stieß sich mit den Beinen ab. Für einen kurzen Moment war es wie ein Rausch, als sie durch das sonnendurchflutete Wasser tauchte, endlich wieder in freier Bewegung, ohne Hindernis, so weit sie wollte. Sie hatte ganz vergessen, wie viel Kraft noch in ihr steckte, und wie wunderbar es war. Wäre Eri nur hier, sie wären jetzt um die Wette geschwommen, hätten getanzt und gespielt, und …
    … da prallte sie auf. Lurdèa war so verdutzt, dass sie es gleich noch einmal versuchte. Dann erst erkannten ihre Augen die feinen Stäbe, die sich rasend schnell zusammenzogen. War vorher noch ein Durchkommen möglich gewesen, so war der Weg jetzt verwehrt.
    »Nein«, keuchte Lurdèa, » nein! Nicht schon wieder, keine Gefangenschaft mehr, ich bin frei!«
    Sie drehte um und schwamm nach oben; nach einem kurzen Blick zurück stellte sie fest, dass die Stäbe selbst für ihre scharfen Augen wieder unsichtbar waren. Perfekt an das Licht- und Wasserspiel in dieser Sphäre angepasst.
    Auch andere waren in diese Falle geraten, wie sie jetzt sah, Scherenstelzer, Fische, Armfänger und viele mehr. Wie groß war dieser Käfig wohl ursprünglich gewesen, bevor er zusammengezogen wurde?
    Diesmal entdeckte Lurdèa die Gitter rechtzeitig und bremste ab. Es gab eine Schleuse nach oben, doch sie war geschlossen. Lurdèa musste während ihrer Bewusstlosigkeit hier hineingetrieben sein, und nun kam sie nicht mehr heraus.
    Landgänger , schoss es ihr durch den Kopf. Es sind Fischer, und jetzt werden sie mich herausziehen, mit allen anderen Fischen und Getier … aber dazu gehöre ich nicht, ich … ich …
    Panik überspülte sie und schwemmte ihre Gedanken davon. Lurdèa schrie und rüttelte an den Gittern, die jedoch unnachgiebig waren und sich immer enger zusammenzogen. Bald hatte sie kaum eine Ausweichmöglichkeit mehr, konnte nur noch hilflos kreisen, zwischen den Fischen hindurch, die panisch um sie herumzappelten.
    Schließlich gab es keine Möglichkeit mehr, sich zu bewegen, und Lurdèa hielt sich krampfhaft an den Gittern fest, als es ruckartig nach oben ging.
    Sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, was jetzt folgte. Ihr Körper, der bereits gelernt hatte, was zu tun war, reagierte jedoch selbständig und sehr schnell. Die Kiemen pressten mit kräftigem Druck das Wasser aus, als der Käfig an die Oberfläche kam, und der Mund öffnete sich und sog Luft ein, hustete letzte Reste der See aus.
    Lurdèa klammerte sich immer noch fest, spürte entsetzliche Schwere, die sie niederdrückte, als der Käfig herumgeschwenkt und an Bord eines Schiffes gezogen wurde. Ein Schiff, genau wie diejenigen unten in der Tiefe, doch völlig intakt, das munter auf dem Wasser trieb.
    Schreie brachen um sie herum aus, als die Fischer sie erblickten, sicher hatten sie jemanden wie Lurdèa noch nie erblickt. Sie konnte

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