Nauraka - Volk der Tiefe
Menschen wie Horwik und Palong zu sein, drei oder vier entstammten deutlich erkennbar anderen Völkern, sie waren stark behaart und von skurrilem Aussehen, wie Lurdèa fand. Keiner von ihnen interessierte sich für sie.
Fast keiner. Lurdèa fuhr zusammen, als ihr Blick auf einen Käfig fiel, der nur zwei oder drei Schritte von ihr entfernt stand. Und in diesem saß ein Mann mit schulterlangen, gelockten braunen Haaren. Er hatte die langen Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. Unverwandt betrachtete er sie aus dunklen Augen, ohne ein Wort zu sagen.
Als er ihren Blick auffing, hielt er ihn umgehend fest. Sein markantes, bärtiges Gesicht verzog sich zu einem verschmitzt wirkenden Grinsen. »Hallo«, sagte er mit leicht rauer Stimme. Er trug wie alle anderen Landbewohner einfache Kleidung, ohne Wickelung und Schnürung, allerdings aus gutem Stoff; Hemd und Wams, Gürtel und Hose, und Fußbekleidung, die bis zu den Knien reichte. Genau wie Lurdèa passte er nicht hierher – falls man überhaupt in einen Käfig passen konnte. Alle anderen Gefangenen waren ärmliche Geschöpfe, die wahrscheinlich schon ihr ganzes Dasein als Sklaven verbrachten. Das war Lurdèa nicht unbekannt, einige Seevölker wie die Nices hielten sich ebenfalls Sklaven. Dieser Mann jedoch war noch nie in seinem Leben Sklave gewesen, dazu sah er viel zu gut, fast edel und vor allem gepflegt aus. Er schien bis zu diesem Moment eher Befehle gegeben denn befolgt zu haben.
»Hallo«, gab sie schüchtern zurück.
»Deine Ankunft hat bei den Menschen ziemlich viel Aufsehen erregt«, fuhr er fort. »Eine nette Abwechslung bei dieser sonst langweiligen Seereise.«
»Du sprichst so, als wärst du kein Mensch«, sagte sie misstrauisch.
»Bin ich auch nicht – genauso wenig wie du.« Er deutete mit dem Kopf nickend eine Verbeugung an und grinste dabei noch breiter. »Berenvil, zu deinen Diensten, Prinzessin.«
»Ich bin keine ...«, wollte sie abwehren, doch er hob sacht einen Zeigefinger.
»Mach mir nichts vor. Du gehörst zu den Alten Völkern, genau wie ich, und du bist von hohem Adel. Keine einfache Dirne vom Land sieht so aus, und auch keine feine Stadtdame.« Berenvil sah sich um und rutschte dann näher ans Gitter. »Ich kenne dein Volk«, flüsterte er.
Lurdèa durchfuhr es siedendheiß. »Gar nichts weißt du«, gab sie leise zurück, »Berenvil Irgendwer .«
Er lachte leise. »Auch dies ist ein Beweis, meine liebe Lurdèa, deren Namen ich vorhin hörte. Du bist von den Nauraka. Na, liege ich richtig?« Er zwinkerte. »Nur dein Volk ist derart überheblich und stolz.«
Lurdèa schluckte. »Das ist lange vorbei«, murmelte sie. Sie glaubte ihm kein Wort, wahrscheinlich hatte er einfach drauflosgeraten. Schließlich existierten heutzutage noch genügend Legenden über die Nauraka, wie Hallog der Händler versichert hatte, und nicht viele Meeresbewohner sahen den Landgängern zum Verwechseln ähnlich. Einen Treffer mit dieser Vermutung zu erzielen, war daher sehr wahrscheinlich.
»Leider denken diese beiden Menschen nicht richtig nach, und daher werden sie dich auf dem Markt verkaufen, ohne deinen wahren Wert zu erkennen. Der Händler grübelt gerade über einen scheinbaren Nachweis deiner edlen Herkunft nach, dabei bräuchte er einfach nur die Wahrheit zu erfahren.«
Sie presste sich ans Gitter. »Bitte verrate mich nicht«, flehte sie. »Große Schande käme über mein Volk, würde das bekannt ...«
Er winkte ab. »Keine Sorge, ich könnte kaum einen Vorteil für mich herausschlagen, deswegen werde ich nichts sagen. Und wir Alten Völker müssen zusammenhalten, nicht wahr?«
Ihr gefiel sein selbstbewusstes, geradezu unverschämtes Lächeln, denn auf seltsame Weise tröstete es sie. Einen von den Alten zu treffen, der in derselben misslichen Lage war wie sie – damit fühlte sie sich nicht mehr gar so allein und ausgeliefert. Noch dazu, da er ein Landgänger war und ein Mann; das bedeutete, hier an Land wurde wohl jedermann schlecht behandelt, der es nicht zu einem bestimmten Status gebracht hatte.
»Warum sitzt du überhaupt in diesem Käfig?«, fragte sie geradeheraus.
»Ah, eine lange und unrühmliche Geschichte«, winkte er ab.
Lurdèa wies auf die Gitterstäbe. »Ich habe Zeit.«
Er seufzte. »Na schön. Aber ich gebe nur die Kurzfassung preis, denn es ist mir zu peinlich. Eine Blamage.« Er setzte sich ein wenig bequemer hin. »Ich bin ein Abenteurer, Lurdèa von den Nauraka, mal hier, mal da und überall, nirgends
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