Nauraka - Volk der Tiefe
kicherte albern. »Aber vielleicht ist sie jetzt beschädigt, was machen wir dann?«
»Bei der dicken Kleidung, die sie trägt? Keine Sorge. Der wird nichts fehlen.«
»Was machen wir überhaupt mit ihrer Kleidung? Sie riecht ja schon ein wenig streng.«
»Wenn Ihr nichts Besseres habt, lassen wir sie ihr, denn sie braucht Schutz vor der Sonne. Wir wollen doch nicht, dass ihre zarte Haut verbrennt!«
»Recht habt Ihr. Und schön bunt ist diese Kleidung außerdem. Ich denke, ein paar Güsse mit Süßwasser und genügend frische Luft, dann wird sich das rasch verflüchtigen.«
Lurdèa hätte gern etwas dazu gesagt. Und sie hätte den beiden Männern noch lieber in die Weichteile getreten, hätte sich für alle Demütigungen gerächt, denen sie in Karund so lange wehrlos ausgesetzt gewesen war, und die hier ihren Höhepunkt zu finden schienen. Doch sie war viel zu schwach und fiebrig, sie konnte nicht einmal mehr einen Finger heben und selbst die Lider nur halb offenhalten.
Sie hasste das Land und alles darauf, und sie hasste ihren Bruder, der immer davon geträumt hatte. Erenwin, der sie befreit hatte, ohne darüber nachzudenken, wie es danach weitergehen sollte, der es aus Ehrgefühl wegen seines Versprechens getan und dadurch alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Nun würde Janwe Darystis angreifen und Ragdur mit einer Kriegserklärung antworten, Erenwin würde wahrscheinlich getötet, weil er zwischen den Fronten stand, und Lurdèa ... nun, sie war von einer Gefangenschaft in die nächste geraten. War Karund für sie schon ein fremder Ort gewesen, so befand sie sich hier in einer merkwürdigen Welt, die nicht die ihre war, die sie nicht verstand und wahrscheinlich nie verstehen lernen würde. Wie hatte die königliche Sippe damals das Meer nur freiwillig verlassen können? Gewiss, es war eine Flucht gewesen, aber dennoch ... sie waren nie mehr zurückgekehrt.
»W-Wasser«, jammerte sie leise, während Horwik und Palong über die Möglichkeiten ihres Verkaufs und den zu erwartenden Preis debattierten.
»Hilfe kommt sofort«, sagte der Kapitän daraufhin. »Armes Ding, verzeih, wir haben dich in der brütenden Sonne liegenlassen. Normalerweise missachten wir Frauen nicht derart, aber bei dir sind wir uns noch nicht ganz im Klaren, ob du überhaupt eine bist.«
»Sieht man das etwa nicht?«, entrüstete sich Palong, als würde er Lurdèa verteidigen wollen.
»Ach, das arme Ding ist doch viel zu mager, und wenn Ihr mich fragt, auch zu hochgewachsen.«
»Für Euch vielleicht, der es mehr mit drallen Formen in handlicher Größe hat. Den Burgadel jedoch wird sie begeistern.«
Endlich rief Horwik jemanden herbei, der Lurdèa an den Armen packte und sie über den Holzboden zog, zu einem anderen Teil des Schiffes, wo eine Menge Käfige nebeneinanderstanden.
Bis auf wenige Ausnahmen waren alle besetzt, doch das registrierte Lurdèa nur noch am Rande. Sie wurde in einen Käfig geschoben, der im Schatten lag, dann wurden zwei Eimer Wasser über ihr ausgekippt und die Tür verriegelt. Gnädige Ohnmacht umfing sie.
Hoffentlich war alles nur ein böser Traum . Lurdèa kam zu sich, als die Sonne bereits unterging und die brütende Hitze des Tages von einem milden Wind vertrieben wurde. Also war es nicht vorbei. Sie lag wirklich in einem Käfig, aufbewahrt wie ein Fisch zum Verzehr. Kleidung und Haare waren inzwischen trocken, und sie konnte sich immerhin aufrichten. Ihr Körper gewöhnte sich zusehends an die Trägheit und Schwere des Landes und die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten. Allerdings tat ihr alles weh, denn sie war noch nie auf hartem Grund gelegen. Es gab keine einzige Stelle an ihrem Körper, die nicht schmerzte und ihr bewusst machte, dass sie lebte und kein Alptraum sie gefangenhielt.
Jemand hatte ihr etwas zu essen in den Käfig geschoben, eine Schale mit rohem Fisch und Beiwerk, das ihr unbekannt war, dazu ein Krug Wasser. Gierig stürzte sie sich auf die Nahrung, denn sie brauchte Kraft, sehr viel Kraft. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Magen in der Lage war, alles zu verdauen. Zumindest war das Zeug nicht verdorben, wenngleich völlig geschmacklos, da war sie weitaus Besseres gewöhnt. Doch Ansprüche konnte sie hier kaum stellen.
Nachdem sie sich einigermaßen gesättigt und ihr Magen sich beruhigt hatte, sah Lurdèa sich um. Die übrigen Gefangenen kauerten still in ihren Käfigen und dösten vor sich hin; anscheinend hatten sie sich in ihr Schicksal ergeben. Die meisten schienen
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