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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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anderen Seite der Welt wieder heraus, oder er stieß auf den Boden. Eri war tiefer geschwommen als jeder Nauraka, den er kannte, nicht einmal Onkel Turéor hatte hierüber eine Geschichte gewusst. Also würde er jetzt nicht mittendrin umdrehen, so weit würde er nie wieder kommen.
    Eri stieß hinab.

    Sein Körper gehorchte ihm wieder vollends, und er tauchte zügig abwärts. Eri hoffte, dass er nicht versehentlich mit jemandem zusammenstieß, denn seine Sinne waren hier unten weitgehend stumpf. Er konnte den Geschmack des Wassers nicht einordnen, und die Anwesenheit des Giganten oder der Fische hatte nicht das übliche rechtzeitig warnende Kribbeln auf seiner Haut verursacht. Erst sehr spät  hatte er sie bemerkt. Hier unten war er mit nichts verbunden, als wäre er abgeschnürt, ja … auf dem Trockenen? So mochte es sein, nach allem, was der Prinz von den Händlern gehört hatte. Die Landbewohner waren einander bei weitem nicht so eng vertraut wie die im Wasser Lebenden. Alle Höhen und Tiefen waren hier gleich, man schwebte leicht hindurch, konnte sich auch einfach dahintreiben lassen. Das alles war an Land anscheinend nicht möglich, dort spürte man sein eigenes Gewicht, war an den Boden gefesselt, wenn man nicht gerade Flügel besaß … und trotzdem, das würde Eri gern einmal kennenlernen. Onkel Turéor hatte von der Sippe erzählt, die einst das Meer verließ und nie zurückkehrte. Ein letzter Nachfahre sollte heute König sein in einem fernen Land. Durch ihn, so hieß es, sei Waldsee gewandelt worden und stünde jetzt unter dem Schutz des Siebensterns, sicher vor allen Angriffen. Eri begriff das alles nicht so recht, aber er wollte gern wissen, ob dieser König, der nunmehr als Landbewohner lebte, noch wie ein Verwandter war, ob sie einander verstanden oder sich fremd waren.
    Überhaupt: Sterne. Und Monde. Himmel . Auch das wollte Eri einmal sehen. Ein paar Mal war er schon nahe dran gewesen, an die Oberfläche des Wassers zu schwimmen. Als Nauraka konnte er das Wasser schließlich verlassen, genau wie seine Vorfahren, denn er besaß Lungen und konnte auch an Land atmen. Er konnte sogar aufrecht gehen, wenn er sich an die Schwere gewöhnt hatte. Aber bisher war es ihm nicht gelungen, so weit hinaufzukommen. Der Hochfürst ließ die Schicht, wo das Sonnenlicht begann, streng bewachen, niemand durfte aus dem Zwielicht darüber hinwegschwimmen. Gefahren lauerten dort, denen die Nauraka nicht begegnen konnten, hieß es – und niemand sollte wissen, dass es sie noch gab, und wo sie lebten. Da war Onkel Turéor ausnahmsweise einmal derselben Meinung: »Wir sind ein heimliches Volk, Eri. Einmal schon waren wir dem Untergang nahe. Unser ganzes Volk wäre damals untergegangen, wenn die königliche Sippe das Meer nicht verlassen hätte. Doch der Alte Feind ist nicht vernichtet. Er ist noch immer dort draußen und sucht nach uns.«
    Eri verstand nicht viel von dem Geschwafel (so empfand er es, auch wenn er sich ein bisschen dafür schämte), immer diese Warnungen, Hinweise auf alte Mythen, verdreht und kryptisch. Manchmal hielt auch er den alten Mann, den er sonst sehr respektierte, für einen verwirrten Knurrhahn. Tatsache aber war, dass Eri bisher an den Wachen nicht vorbeigekommen war, egal welche Tricks er auch versuchte.
    Nun gut. Dann schwamm er jetzt eben genau in die andere Richtung – hinab in die unbekannte Tiefe, und niemand hinderte ihn daran.

    Ab und zu fragte sich Eri, wie lange er wohl schon hier unten war. Er hatte keinerlei Zeitgefühl mehr, und seltsamerweise empfand er keine Müdigkeit, obwohl er unentwegt tauchte. Die Bewegung half zudem gegen die Kälte, die ihm immer mehr zusetzte. Ihm war niemand mehr begegnet, und er sehnte sich auch nicht danach. Er war sicher, dass die Richtung immer noch stimmte, dass er nicht versehentlich in die Waagrechte abgedriftet war und nun bis ans Ende der Umschließenden See in Dunkelheit schwamm …
    Doch dann änderte sich tatsächlich etwas. Und er wusste, er hatte es geschafft. Unter ihm milderte sich die Finsternis allmählich ab, wurde … grau. Durchlässiger. Bald konnte der Prinz sein eigenes Schimmern sehen, und dann wurde es zusehends heller. Eris Herz pochte wild; er hatte nicht gewusst, was er erwarten sollte, und natürlich vom Licht geträumt. Dass es nun tatsächlich geschah …
    Zielstrebig schwamm er weiter, dem Licht entgegen. Bald hatte er die Schwelle des Zwielichts durchquert, und er sah eine mattdämmrige, hellgraue Weite um sich. Und

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