Nauraka - Volk der Tiefe
sonderlich interessiert. Und jetzt konnte er gar nicht mehr aufhören! Was war nur los mit ihm? Hatte er doch irgendein Gift eingeatmet? Machte die Tiefe ihn langsam verrückt, galt deswegen das Tabu? Und dann diese Stimmen … er konnte ihnen einfach nicht entkommen. Sein Kopf dröhnte, und ihn schwindelte.
»Ich suche, ich suche ja«, stöhnte er und wühlte immer hektischer, versank regelrecht in einer aufgewirbelten Sandwolke. Einige Körner gerieten in den Schlund eines Kamins und vergingen zischend darin.
Wieso musste er überhaupt danach suchen? Er hatte es doch gesehen! Dieses kurze Aufblitzen, wie ein Signal, das ihn zu sich rief. Und jetzt verbarg es sich vor ihm? Er konnte sich nicht getäuscht haben! Wo war es nur?
Immer wütender und hektischer wühlte er alles auf.
Und dann … trafen seine Finger auf Widerstand. Rund und glatt. Und ziemlich schwer. Eri musste beide Hände zu Hilfe nehmen, so groß war das Ding, und hob es aus dem Sand. Der Glanz seiner Augen spiegelte sich auf seinem Fundstück.
Eine schwarze Perle, so groß, dass Eris Hände sie nicht ganz umfassen konnten. Sie war völlig rund und glatt und schillerte in besonderem Glanz. Eri hatte noch nie etwas so Wunderschönes gesehen. Perlen waren für die Nauraka nichts Besonderes – aber diese hier, schwarz, so groß und so perfekt: Das war eine Sensation. Und Eri begriff, dass diese Perle ihm den Weg an Land ebnen würde, oder wohin auch immer, jedenfalls in ein großes Abenteuer. Wenn er sie Hallog anbot, dem Händler, der das meiste Vertrauen genoss, bekam er dafür sicher ein Vermögen. Genug, um auch Luri einen angemessenen Standard bieten zu können. Dann konnte sie ihn begleiten und mit ihm all die Wunder dort draußen kennenlernen, wo man sein eigenes Gewicht spürte. Hallog würde ihnen dabei helfen, »Fuß zu fassen«, wie er sich immer ausdrückte. Das hatte er schon mehrfach angeboten. Und er hatte oft genug betont, dass die Nauraka etwas ganz Besonderes seien, und an Land für Aufsehen sorgen würden. Und man würde ihnen mit Respekt begegnen.
Reichtum hatte Eri nie etwas bedeutet, weil er nichts anderes kannte als Luxus, und kein richtiges Gefühl für Werte besaß. Er musste niemals Not leiden, trug die kostbarsten Gewänder, und er hätte sich auch genau wie Lurion mit Schmuck behängen können. Er war ein edler Prinz, der anderen befehlen konnte, ohne dass sie widersprechen durften. Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht musste er glücksspielen, so wie Lurion, um zu begreifen, was man verlieren konnte, doch so dumm war er natürlich nicht.
Aber diese Perle … war einzigartig. Selbst die Stimmen schwiegen ehrfürchtig, doch sie waren immer noch da, das konnte Eri spüren. Und die Perle fühlte sich warm an, fast geschmeidig, als wäre es ihr behaglich in seinen Händen. Er presste sie an sich, während er sich umdrehte – und erstarrte.
Die Knochen lagen nicht mehr wild verstreut umher, sondern hatten sich bewegt, sich aneinandergereiht, und nun bildete sich etwas um sie herum, die schemenhaften Konturen jenes Wesens, das hier einst starb; und es richtete sich auf …
Eri wollte nichts mehr sehen und auch nicht abwarten. Voller Panik drehte er sich um und schwamm eilig auf die Felswand des Vulkans zu. Unterwegs barg er die Perle in den Falten seines Gewandes. Er spürte zwar ihr Gewicht, doch sie behinderte ihn nicht in seinen Bewegungen. Seine Finger berührten schroffes Vulkangestein, und er zog sich daran hoch, schlug heftig mit den Fußflossen, während er sich so schnell er konnte nach oben bewegte. Er drehte sich nicht um. In seinem Kopf rauschte es, und er glaubte den Atem des riesigen Wesens zu spüren, den Ausstoß gewaltiger Kiemen, der das Wasser durcheinanderwirbelte und ihn an die Felsen drückte.
Darüber nachzudenken, ob dies nun Wirklichkeit war oder Einbildung, war müßig. Weiter, immer nur weiter, die Welt hier unten war nicht die seine. Sie war trügerisch schön, doch er verstand ihre Sprache nicht, konnte sie ja nicht einmal hören und sich niemandem offenbaren, und die Gefahren waren weitaus subtiler als zu Hause. Falls jemals Nauraka in der Stillen Tiefe gelebt hatten, so war dies so lange her, dass davon nichts mehr in den Nachfahren verblieben war, um eine Erinnerung daran zu wecken. Das Tabu bestand zu Recht, das begriff Eri nun, und er empfand mehr Furcht als zuvor in der Finsternis. Doch die Perle mochte dies alles wert sein.
Hinauf ging es schneller und
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