Nauraka - Volk der Tiefe
angeboten.«
»Und wieso warst du nun wirklich in dem Käfig? Ich bin gespannt auf deine dritte Geschichte.«
»Ich habe verloren, genau wie ich sagte«, murmelte er. »Gegen einen anderen Baron. Er hielt es wohl für eine witzige Idee. Ich habe ihn anscheinend mal verärgert. Aber ... das ist eine Sache, die ich gern vergessen möchte.« Diesmal wagte er es, behutsam nach ihrer Hand zu tasten, und sie ließ es zu.
15.
Die Traurige Festung
Erenwin hasste Laoren mit jeder Faser seines Seins. Der Alte war ein launischer Nörgler, der ihn den ganzen Tag schikanierte, oft betrunken und meistens von seinen Kräutern berauscht war. Von welchem Volk er stammte, fand der Nauraka nicht heraus, doch Laoren verstand sich immerhin so weit auf Magie, dass er seinen »Gast«, wie er Erenwin ab und zu höhnisch bezeichnete, unter Kontrolle hielt.
Es gab stets viel zu erledigen, wenngleich Erenwin den Sinn dahinter nicht immer ergründen konnte. Aber er hatte keine Wahl. Er konnte sich nicht einmal einen Schritt zu weit von dem Alten entfernen, ohne dass er bitter dafür büßen musste. Jedes Mal fiel die Strafe anders aus; manchmal fuhr ein Blitz auf ihn herab, der ihn wie einen Baum fällte und ohnmächtig werden ließ, und danach war ihm oft noch tagelang übel, und wenn er Wasser trank, wurde er von einem Schlag getroffen, der ihn zusammenbrechen ließ. Manchmal versanken seine Füße im Sand, und er steckte darin fest, ohne sich befreien zu können, der erbarmungslosen Sonne ausgesetzt, bis er ohnmächtig wurde. Sogar Schläge von unsichtbarer Hand, wie von einer Keule, hatte er empfangen, bis sein Körper von Blutergüssen angeschwollen und verfärbt war und er sich kaum noch rühren konnte.
Am schlimmsten war es, wenn Laoren einen besonders unkontrollierten Wutausbruch bekam und den jungen Mann in eine Grube warf, die unter dem Sand verborgen lag, gleich neben dem Brunnen. Er schaufelte Bretter frei, schob sie beiseite und zwang Erenwin, in den feuchtkalten Schacht zu steigen, in dem so wenig Platz war, dass er sich mit eng angezogenen Beinen hinkauern musste. Dann legte Laoren die Bretter über die Grube und schaufelte wieder Sand darüber. Manchmal verbrachte Erenwin Tage darin, bis der Alte sich endlich wieder an ihn zu erinnern schien und ihn herausließ.
Jede Nacht kettete er Erenwin an seinem Lager an, und auch tagsüber, wenn Laoren ans Meer ging, um Strandgut zu sammeln.
Erenwin litt unter der trockenen Hitze, wenn er draußen arbeiten musste, und unter der muffigen Dunkelheit in der Hütte. Nahrung bekam er gerade so viel, dass er bei Kräften blieb, doch er litt nicht selten Hunger und vor allem Durst.
Und er konnte nicht entkommen. Der Alte hatte sein Pendel immer griffbereit und erneuerte den Bann, sobald er anfing, sich zu lösen. Erenwin hatte allerlei Tricks versucht, um ihn zu täuschen, doch Laoren merkte es sofort und zog hämisch grinsend das Medaillon hervor.
»Willst du mich bis ans Ende deiner Tage als Sklaven halten?«, fragte Erenwin nicht zum ersten Mal, als er wieder einmal aus der Grube stieg. Diesmal hatte Laoren ihn darin verborgen, weil Händler vorbeigekommen waren, um Strandgut, Kräuter und Salben zu kaufen, und allerlei Dinge zur Beschwörung. Laoren wollte nicht, dass jemand von seiner Anwesenheit erfuhr. Bemerkbar machen konnte Erenwin sich nicht, weil der Alte ihn geknebelt und gefesselt hatte.
»Ich finde das sehr praktisch«, kicherte Laoren boshaft. »So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr. Außerdem habe ich jemanden zur Unterhaltung. Und für dich ist es eine gute Lehre, Prinzenbürschlein, Bescheidenheit zu lernen.«
Laoren war nicht immer grausam; vor allem beim gemeinsamen Abendessen konnte er durchaus umgänglich sein und zeigte sich als Gelehrter mit viel Wissen, das er bereitwillig preisgab, und das Erenwin begierig in sich aufsog.
»Laoren«, sagte er in solch friedlichen Momenten, »bitte lass mich frei. Du weißt, dass ich meine Schwester suchen muss. Wenn du mich auf ewig daran hinderst, wird es dich das Leben kosten, denn ich stehe unter einem Bann. Der Fluch wird auch dich treffen, sollte ich meine Verpflichtung nicht erfüllen können.«
»Was verstehst du denn von diesen Dingen?«, erwiderte der Alte verächtlich.
»Genug um zu wissen, dass es so ist. Ich werde freikommen, aber du wirst bezahlen. Je länger du mich hier behältst, umso schlimmer wird es dich treffen.«
»Darauf lasse ich es ankommen.«
Erenwin sagte nichts mehr, doch er
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