Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
Vom Netzwerk:
vergangen, dass du nichts mehr unternehmen könntest, selbst wenn es möglich wäre. Es ist längst alles entschieden! Wofür willst du dich opfern?«
    Ihre Augen wurden feucht. »Aber ich ... ich kann doch nicht ins Exil gehen ... wo soll ich denn sonst hin?«
    Er zögerte. »Komm mit mir«, bat er dann leise. »Ich meine ... wie du schon sagst, wohin solltest du gehen? Du bist hier an Land noch mehr in Gefahr als in der See. Aber du könntest mit mir kommen und dich an das Leben hier gewöhnen, bis du eine Entscheidung getroffen hast. Ganz ohne Verpflichtung«, fügte er schnell hinzu. »Ich meine ... das schulde ich dir. Du hast mein Leben gerettet, obwohl du dazu keine Veranlassung hattest. Erst recht nicht, nachdem ich dich so schmählich auf der Seerose im Stich gelassen habe.«
    Sie starrte auf den Sand. Berenvil hatte in allem recht; sie war auch deswegen immer noch bei ihm, weil er ihr einziger Anhaltspunkt war, den sie hatte, ihr Anker. Sie wusste nicht, wohin sie gehen konnte, wie sie ihr Leben jeden Tag aufs Neue verteidigen sollte, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollte. Sie wusste nicht, wo ihre Heimat lag, und wahrscheinlich war sie tatsächlich längst verstoßen und gleichzeitig für tot erklärt worden. Möglicherweise war genau dies sogar die Lösung für den Frieden: Janwe gab sich vielleicht mit ihrem Tod zufrieden und unternahm keinen Angriff auf Darystis. 
    Die ganze Zeit hatte sie es gewusst, schon seit ihrer Befreiung, dass sie nie wieder nach Darystis konnte, egal, was sie sich vormachen wollte. Sie hatte keinen anderen Ausweg gesehen, es schien ihr einziges mögliches Ziel zu sein. Das einzige, was sie kannte.
    Wenn sie bei Berenvil blieb, konnte sie lernen, wie das Leben an Land war. Sie konnte vorerst bei ihm zur Ruhe kommen, ihre Seele gesunden lassen und dann neu anfangen. Auch wenn es für einige Zeit, vielleicht sogar Jahre, den Abschied von der See bedeutete.
    »Du musst es hinter dir lassen«, redete Berenvil eindringlich auf sie ein. »Du darfst dich nicht mehr mit der Vergangenheit belasten. Vergiss sie!«
    »Ich kann doch nicht das Meer vergessen«, flüsterte sie. Noch immer drängte alles in ihr danach, einfach hineinzuspringen und wegzutauchen, zu fliehen ... irgendwohin, was letztendlich im Nirgendwo enden würde. Sie ließ den Kopf hängen, ihre schwarzen Haare fielen wie ein Vorhang vor ihr Gesicht. »Aber ich muss es, nicht wahr? Ich habe alle verraten ...«
    »Dein Volk hat dich verraten, Lurdèa, nicht du dein Volk. Und ich verspreche dir, du wirst ins Meer zurückkehren. Ich werde nach einem Weg suchen, Darystis zu finden und auszuloten, ob du dort willkommen bist.«
    Voller Verzweiflung sah sie ihn an. »Warum tust du das? Was kostet es mich?«
    Er erwiderte ihren Blick traurig. »Wenn du nur wüsstest, wie schön du bist«, sagte er leise. »Das Meer spiegelt sich in deinen Augen, an der Stelle, wo goldene Sandbänke unter seichtem Wasser funkeln, wo auch wir Landgänger gern darin versinken und träumen. Du bist etwas ganz Besonderes, und ich glaube, dass unsere Begegnung nicht so enden darf. Nimm meine Freundschaft an, ich bitte dich. Ich möchte dir gern mein kleines Reich zeigen, und mein Volk, und ich glaube, du wirst dort vieles zum Guten verändern. Mein Volk wird dich lieben.«
    »Liebe?«, sagte sie zaghaft. »Dazu bin ich nicht fähig, Berenvil, keiner von uns. Das ist nur eine romantische Vorstellung, die du wahrscheinlich von den Menschen übernommen hast.«
    »Mein Volk sind Menschen«, erwiderte er. »Nun ja, die meisten.«
    Sie seufzte. »Du bist also ein Landesherr?«
    »Hmm ... ja. Hab ich das nicht gerade gesagt?«
    Sie winkte ab. »Und wohin gehen wir?«
    Er machte ein schuldbewusstes Gesicht und deutete dann auf den Domgar, der in der Nachmittagssonne über allem thronte.
    »Was?«, rief sie. »Sagtest du nicht, jeder wäre daran gescheitert, seine Schätze und Geheimnisse zu ergründen?«
    »Äh ... ja. Das habe ich aber nicht getan, ich habe nur eine kleine Burg da oben gebaut, an der Schneegrenze«, sagte er kleinlaut. »Und dann fingen die Leute an, sich unten anzusiedeln. Ich schützte sie vor Räubern, und ... so wurde ich wohl zum Burgherrn.«
    Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Du bist unglaublich! Warum hast du das nicht gleich erzählt?«
    »Ich dachte, du glaubst mir nicht. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Es war mir peinlich. Ich meine, wie sieht das denn aus, ein Herrscher wird auf dem Sklavenmarkt

Weitere Kostenlose Bücher