Nauraka - Volk der Tiefe
sichern.«
»Du kennst ihn gut ...«
»Ich habe lange genug als Sklave bei ihm gelebt.«
Der rothaarige hünenhafte Koldar ritt an Fangurs Seite. »Der Bursche ist gar nicht mal so dumm«, bemerkte er. »Wir könnten tatsächlich Ärger bekommen, wenn wir diesen Beutel unterschlagen, denn die Händler, die Laoren bezahlt haben, müssen darüber Bescheid wissen. Fürst Morangar ist ohnehin schon misstrauisch und stellt Fragen.«
Die anderen stimmten zu, und Fangur entschied kurzerhand: »Tötet den alten Nörgler und brennt die Hütte nieder.«
Während die zwanzig Mann die Düne hinunterstürmten, um den grausamen Befehl auszuführen, beobachtete Fangur den Gefangenen. Doch dessen Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck.
Rauch stieg hinter ihnen auf, während sie Sand aufwirbelnd über die Dünen ritten. Niemand würde um Laoren trauern, und die Händler würden sich einen anderen Strandgutsammler suchen.
Fangur war erbost, als sein Gefangener ein zweites Mal an der Kette riss. »Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Ich will meine Sachen und ein Pferd«, antwortete der junge Mann bestimmt.
Koldar kam hinzu. »Was ist denn mit dem los?«, rief er. »Seine Haut ist ja vollständig schwarz geworden! So können wir ihn nicht mehr verkaufen. Hoffentlich ist das nicht ansteckend!«
»Er hat einen Sonnenstich«, erwiderte Fangur. »Er verlangt seine Sachen und ein Pferd.«
Die Soldaten lachten schallend.
»Wir könnten ihn als Spaßmacher anbieten«, fügte Koldar hinzu.
»Als Krieger bin ich nützlicher«, sagte der Gefangene.
»Halte dich nicht auf, Hauptmann!«, rief Dengür. »Wir sollten uns dieses Burschen entledigen, der wird uns nur Ärger machen.«
»Moment«, wies Fangur ihn ab. »Ich muss nachdenken.« Er blickte auf den Gefangenen hinab, und wieder beschlich ihn das Gefühl, dass er von Bedeutung war. Irgendetwas in seiner Ausstrahlung, seiner Haltung ... »Du behauptest, ein Krieger zu sein?«
»Stell mich auf die Probe.« Der Schwarzhäutige wies auf Koldar. »Gib mir ein Pferd, und ich trete mit einem Holzstock gegen ihn an. Ich werfe ihn aus dem Sattel, und wenn mir das gelingt, bekomme ich sein Pferd und meine Sachen.«
»Mit einem Stock?«, sagte Koldar ungläubig.
»Dein Tod wäre nutzlose Verschwendung, der Hauptmann braucht jeden Mann.«
Diesmal blieb den Soldaten das Lachen im Halse stecken, und sie blinzelten verwirrt.
»Also gut, einen Versuch ist es wert«, entschied Fangur. »Wenn du ihn aus dem Sattel wirfst, bekommst du sein Pferd und anständige Kleidung. Über deine Sachen reden wir später.«
Koldar lachte dröhnend. »Mir soll’s recht sein!«
»Hast du schon einmal auf einem Pferd gesessen?«, fragte Fangur, während er die Ketten löste.
Der Gefangene spuckte aus. »Ich habe Seeschwärmer geritten.« Er rieb sich kurz die Handgelenke, schüttelte die Arme und nickte. »Ich bin bereit.«
Ein Soldat lieh ihm sein Pferd, und die anderen rissen die Augen auf, als der Gefangene sich mit unerwarteter Geschmeidigkeit und sicherem Gleichgewicht in den Sattel schwang. Er nahm einen Speer, hielt ihn mit dem dick mit Stoff umwickelten Ende nach vorn, und stürmte dann los, noch bevor Koldar, der ein Stück abseits geritten war, sein Schwert gezogen hatte.
Das Pferd gehorchte dem barfüßigen Mann, der nicht einmal die Zügel in die Hand genommen hatte, als hätte es nie einen anderen Reiter gehabt. Dabei schien er sich kaum zu bewegen, nur seine Beinmuskeln spannten sich abwechselnd an. Wie festgewachsen saß er im Sattel, als das Pferd durch den Sand galoppierte.
In der Mitte der Düne prallten die beiden aufeinander, und Koldar stieß einen Schrei aus, als der Speerschaft ihn an der Schulter traf und aus dem Sattel hebelte. Unter dem Hohngelächter seiner Gefährten landete er kopfüber im Sand, kam hustend und Staub spuckend wieder hoch und suchte fluchend nach seinem Schwert.
Die Soldaten applaudierten, als der Schwarzhäutige in ruhigem Trab zurückkam, aus dem Sattel glitt und den Speer zurückgab.
Fangur lachte mit den anderen. »Gebt ihm etwas Ordentliches anzuziehen!«, befahl er. »Und du, Koldar, suchst dir jemanden, bei dem du aufsitzen darfst!«
Am Abend lagerten sie in den Dünen, entfachten ein Feuer und brieten frisch gefangenen Fisch. Auch der Gefangene, an Händen und Füßen gefesselt, damit er nicht davonlaufen konnte, erhielt seinen gerechten Anteil. Er trug inzwischen saubere Kleidung, die aus Hemd, Hose, Gürtel und Lederwams bestand, allerdings nach
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