Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
Vom Netzwerk:
wie vor keine Schuhe. Er sei daran nicht gewöhnt, erklärte er, weil er noch nie Schuhe getragen habe.
    Die Sonne ging rot leuchtend im Meer unter, das wie ein schlummernder Vulkan aufglühte. Mit weißer Gischt gekrönte Flutwellen rollten über den Strand und spuckten gepanzerte Schnappkröten aus, die auf Jagd nach Wandermuscheln gingen. Über ihnen wurde der violette, stets leicht verschleierte Himmel allmählich dunkler, und in der Ferne prangte schon der siebenstrahlige Schutzstern.
    »So«, sagte Fangur. »Du heißt also Erenwin.«
    »Ja.«
    »Und du bist wirklich ein Nauraka?«
    »Wirf mich ins Meer, und du weißt es.«
    Fangur grinste. »Dein voller Name ...«
    »Prinz Erenwin von Darystis. Aber das spielt keine Rolle hier an Land, wie ich feststellen musste.« Er verzehrte den letzten Rest Fisch und leckte sich die Finger ab.
    »Darystis, was heißt das?«
    »Silberspeer.«
    Fangur nahm eine bequemere Haltung ein. Einer der Soldaten legte Holz nach, die anderen lagerten darum herum und erzählten sich launige Geschichten. »Nun, Erenwin Silberspeer – verrate mir, was einen edlen Prinzen von einem sagenumwobenen Volk der Tiefe an Land treibt, in die Gefangenschaft eines halbverrückten Alten.«
    »Eine Suche«, antwortete Erenwin. »Und ein Fluch. Vielleicht auch zwei.«
    Fangurs Neugier wuchs, und er kam immer mehr von dem Plan ab, den bedeutsamen Fund Laorens zu verkaufen. »Erzähl mir mehr. Du gehörst zwar zu den Alten Völkern, aber du bist noch jung, nicht wahr?«
    Erenwin nickte. »Ungefähr Mitte zwanzig, glaube ich. Ich habe nicht so genau mitgezählt. Vor Jahren habe ich jemandem ein Versprechen gegeben, ihn zu beschützen. Weil ich es nicht einhalten konnte, wurde ich verflucht. Das bedeutete, ich musste mein Volk und das Meer verlassen, allein mein Name, meine Kleidung und das Schwert sind mir geblieben. Ich kann den Fluch nur abwenden, wenn ich meine Suche beende.«
    »Und wenn dir das nicht mehr möglich ist?«, fragte Fangur. »Ich meine, es sind schon Jahre vergangen. Hast du eine Spur aufnehmen können?«
    »Nein. Wenn ich meine Suche nicht beenden kann, muss ich eben mein Leben lang dem Fluch folgen und weitersuchen, dann gibt es keine Erlösung für mich.«
    »Kommt deine schwarze Haut daher? Du bist nicht damit geboren, das haben wir vorhin gesehen, als die letzten hellen Flecken plötzlich verschwunden waren.«
    Erenwin nahm einen langen Zug Wasser. »Das ist eine andere Sache«, brummte er. »Der zweite Fluch, den ich erwähnte, und der auf einem anderen, älteren Fehler beruht. Aber beides hängt zusammen. Und jedes Mal, wenn ich eine böse Tat begehe, kehrt sich meine schwarze Seele nach außen und verändert mich. Eine Hellseherin sagte mir, dass ich zu einem Ungeheuer werde, wenn ich meine Suche nicht beenden kann.«
    Fangur stieß einen leisen Pfiff aus. »Beeindruckende Geschichte.«
    »Glaubst du die etwa?«, fragte Koldar, der gerade hinzukam und sich mit schmerzlicher Miene seine verletzte Schulter rieb. Ächzend ließ er sich in den Sand fallen.
    »Ich habe keinen Grund, sie nicht zu glauben«, versetzte der Hauptmann. »So etwas Absurdes kann sich niemand ausdenken.« Zu Erenwin gewandt, fuhr er fort: »Du hast von bösen Taten gesprochen. Dann hast du also Gewissensbisse wegen Laoren?«
    »Nein«, antwortete der Nauraka, doch dabei geriet sein Gesicht in unkontrollierte Zuckungen, und für einen Moment schimmerte helle Haut durch das Schwarz. Stöhnend sank er zur Seite und übergab sich. Ein unterdrücktes Wimmern drang dabei aus seiner Kehle.
    »So viel dazu«, bemerkte Koldar. »Ein Jammer um das schöne Essen.«
    »Hol ihm noch was, er muss bei Kräften bleiben.«
    »Aber es ist nicht mehr viel da!«, protestierte Koldar, gehorchte aber, als Fangur ihm einen strengen Blick zuwarf.
    Erenwin erholte sich rasch, seine Gesichtsmuskeln kamen zur Ruhe, die Haut wurde wieder durchgehend schwarz. »Das hat nichts zu bedeuten«, versicherte er. »Nichts darf mich ablenken.«
    Fangur sagte nichts dazu, er half Erenwin aufzustehen und wechselte mit ihm den Platz.
    Koldar kam mit einem gefüllten Teller zurück, und der Gefangene fing an zu essen, als wäre nichts geschehen. 
    Fangur legte die Stirn in Falten und rieb sich das bärtige Kinn. »Was sollen wir jetzt mit dir machen, Erenwin?«, fragte er.
    Darauf schien der Schwarzhäutige nur gewartet zu haben. »Warum heißt es Traurige Festung?«
    »Niemand mit Ausnahme der Herrschenden hat dort viel zu lachen«, antwortete

Weitere Kostenlose Bücher