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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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doch ein wenig unruhig, denn diese Vögel waren sehr groß, und in dieser Anzahl konnten sie ihn womöglich doch aus dem Gleichgewicht bringen.
    Und dann gingen die Krähen tatsächlich zum Angriff über, stießen kreischend auf ihn herab, umflatterten ihn, hackten mit dem Schnabel nach ihm, versuchten die Krallen in ihn zu schlagen. Erenwin zog sein Schwert und wirbelte es um sich, so schnell, dass er mehrere Vögel auf einmal erwischte, und sie trudelten mit gebrochenem Genick oder zerfetztem Flügel in die Tiefe. Die anderen wurden noch wütender, aber Erenwin allmählich auch. Er kam jetzt in Kampfstimmung, ließ das Schwert weiter kreisen und schätzte die Angriffsrichtungen ab. Einer Herausforderung wie dieser war er an Land bisher noch kaum begegnet, er musste tatsächlich auf vier Richtungen Acht geben. Das gefiel ihm zunehmend und stellte eine gute Übung dar. Er schlug, hackte und zerfetzte, bis die Krähen die Flucht ergriffen, nachdem sie mehr als fünfzehn Gefährten verloren hatten.
    Erenwin war noch nicht einmal außer Atem und schrie ihnen hinterher: »Packt euch, und lasst euch nicht mehr hier blicken! Ich will nichts von euch, nur diese Berge durchqueren!«
    Vorsichtshalber behielt er das Schwert in der Hand, während er den Grat weiterwanderte, der sich immer weiter und weiter zwischen den Bergen hindurchschlängelte. Was anfangs nur wie eine kleine Kuppe ausgesehen hatte, erwies sich nun als gewaltiger Bergrücken, der mitten durchs Nichts führte. Links und rechts ging es steil bergab, ohne eine Möglichkeit, auf einen anderen Pfad zu wechseln. Umzukehren hatte keinen Sinn, dafür war er schon viel zu weit vorangekommen, und er sah immer den weiß leuchtenden Domgar als Ziel vor sich.
    Die morgendliche Kühle war verflogen, die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel herab und verwandelte die dünne Luft in wallende Hitzeschleier. Lediglich der Wind bot Linderung.
    Erenwin hatte gerade die nächste Biegung hinter sich gelassen, als die Krähen zurückkehrten – und diesmal waren es Hunderte. Das war eine wenig erfreuliche Aussicht, denn er hatte hier keinerlei Deckung oder Ausweichmöglichkeit. Von überall her kamen sie, die Bergflanken wurden geradezu schwarz, und ihr Geschrei übertönte jedes andere Geräusch, selbst das Echo.
    Der schwarze Nauraka hielt das Schwert bereit. Sobald er für genügend Durcheinander gesorgt hatte, würde er rennen, kämpfen, rennen, kämpfen – bis er irgendwann Deckung fand oder dieser ewige Grat endete. Der riesige Schwarm verdeckte inzwischen die Sonne und hüllte alles in zuckende Schatten.
    Dann lösten sich zwei der Krähen, ließen sich zu Erenwin herabfallen – und setzten vor ihm zur Landung an. Noch während sie herabsanken, verwandelten sie sich in Menschen.
    Statt Haare hatten sie feine schwarze Federn auf dem Haupt, Augen, Gesicht und Beine, die mit Krähenfüßen versehen waren, leuchteten wie bei den Krähen zuvor in Metallblau, der Rest des Körpers war dicht von schwarzen Flaumfedern bedeckt.
    Erenwin sah sich um und war nicht überrascht, weitere der Wandelkrähen auf dem Steg zu sehen.
    »Ihr seid die Krahim«, vermutete er.
    Der erste Vogelmensch legte den Kopf leicht schief. »Du kennst uns? Welche Ehre!«, krächzte er.
    Eine Wandelkrähe hinter ihm zischte: »Doch wir kennen dich nicht, sollten wir?«
    »Nein, nein«, schnarrte ein dritter Krahim. »Wir kennen niemanden, nur Futter und Feind.«
    »Ich bin kein Feind«, beteuerte Erenwin. »Ich möchte nur passieren. Mein Ziel ist der Domgar. Von euch will ich nichts.«
    »Hast Krahim getötet«, fuhr der Anführer fort und kam langsam näher, die Arme leicht vom schmalen Körper gespreizt. Er war fast so groß wie der Nauraka. Die Nickhäute seiner Augen schnappten auf und zu, und sein Kopfgefieder sträubte sich.
    »Ich habe mich nur verteidigt.«
    »Krahim lassen niemand durch!«, schrie die Wandelkrähe hinter ihm, und dann stießen immer mehr herab, verwandelten sich und besetzten den Grat.
    »Verbotener Weg!«
    »Wir töten jeden!«
    »Ich bitte euch«, sagte Erenwin betont langsam und ruhig. »Ich will keinen Streit. Ich kann nicht mehr umkehren, deshalb lasst mich weitergehen. Das ist alles, was ich will – meinen Weg fortsetzen. Ohne zu verweilen.«
    Der Anführer schnalzte, und als er die Arme bewegte, bildeten sich Flügelschatten darum. »Oh nein«, krächzte er. »Krahim lassen niemanden passieren. Und was nicht Feind ist, ist Futter.«
    Dann fielen sie alle gleichzeitig

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