Nauraka - Volk der Tiefe
Lurion natürlich für sich beansprucht und sich als Held feiern lassen. Er wird sehr unglücklich sein, dass du noch am Leben bist.«
»Soll er den Sieg behalten, das ist mir egal«, versetzte Eri. »Ich will nur essen und schlafen.«
»Und wann erzählst du mir alles?«
»Beim Essen, weil du mich vorher ja doch nicht schlafen lässt.«
Von der Perle erzählte er noch nichts, das wollte er sich für einen geeigneteren Moment aufsparen. Während Eri, endlich sicher eingewickelt im Hängenetz, alles in sich hineinschlang, was ihm angeboten wurde, berichtete er Luri von den seltsamen Erlebnissen. Er staunte nicht wenig, als sein Onkel Turéor plötzlich hereinkam, und war verlegen, weil er ihm nicht den gebührenden Respekt erweisen konnte, aber dazu er war einfach zu erschöpft.
Turéor war alt … uralt. Viele Falten zierten sein hageres Gesicht, seine langen weißen Haare waren dünn wie feine Tanghexenhaare. Er war auffallend groß und noch schmaler als gewöhnliche Nauraka, und er verließ sein Gemach nie ohne sein Schwert auf dem Rücken. Sein langes Gewand mit den weiten Ärmeln wurde in der Taille von einem kompliziert gewickelten breiten Gürtel gehalten, in dem ein juwelenbesetztes Messer steckte.
Lange betrachtete er Eri. Seine Augen waren so klar und hell wie das Wasser über dem Zwielicht, knapp vor der verbotenen Zone. Manchmal war sein Blick unstet und unruhig, ein wenig wild und verwirrt, doch nicht heute. Eri wich seinem Blick aus, weil er das Gefühl hatte, dass er viel zu tief reichte.
»Du hast es also gesehen«, sprach Turéor schließlich mit tiefer Stimme. »Und du verschweigst eine Menge.«
»Ich habe Luri schon erzählt …«, begann Eri schnell, doch Turéor ließ ihn nicht ausreden.
»Du hast ihr erzählt, was du preisgeben wolltest. Doch da ist noch mehr, Erenwin.«
»Onkel, er ist schrecklich müde. Das hat doch bestimmt noch Zeit bis morgen«, half Luri ihrem Bruder.
»Hat es das wirklich, Lurdèa?«, erwiderte er ernst.
Luri runzelte die Stirn. »Ich dachte, du freust dich, ihn zu sehen!«
Turéors Blick richtete sich wieder auf den Prinzen. »Ich sehe einen Körper, der aussieht wie der Erenwins«, sagte er düster. »Aber ich weiß nicht, ob er es ist, der aus der Tiefe zurückkehrte.«
»Onkel!«, rief Luri empört. »Ich finde, das geht jetzt zu weit!«
»Du hast ja keine Ahnung, unschuldiges Kind.« Turéor redete scheinbar wirr, aber seine Augen waren nach wie vor klar, und seine Miene sehr besorgt.
»Ich bin ich selbst«, meinte Eri und gähnte. Er hatte für heute genug. »So elend, wie ich mich fühle, ist das gar nicht anders möglich.«
Der alte Adlige bewegte langsam, verneinend den Kopf. »Törichter Knabe, wenn es nur so einfach wäre. Niemand, der dort hinuntergetaucht ist, kehrt als er selbst zurück. Dort unten lauert der Tod, das habe ich dir früher schon gesagt.« Eri zuckte zurück, als Turéor sich ihm plötzlich näherte, die Hand an sein Gesicht legte, es prüfend in Augenschein nahm und drehte. »Nun. Es ist geschehen. Wir reden ein andermal.«
Dann schwamm er hinaus, ohne sich zu verabschieden. Luri war für einen Moment zwischen Zorn, Lachen und Verwunderung hin- und hergerissen. »Was ist denn mit ihm los? In letzter Zeit wird er immer wunderlicher.«
»Diesen Eindruck machte er auf mich aber gerade heute nicht.« Eri kuschelte sich ins Netz, das ihn sanft schaukelte. Er konnte sich kaum mehr wach halten. »Er hatte Angst, Luri. Ich glaube, seine Vergangenheit holt ihn ein. Er fühlt sich an etwas erinnert, das tiefe Wunden gerissen hat.«
»Du meinst, die Geschichten über seine Sippe und diesen Alten Feind? Aber niemand weiß doch, ob er wirklich dabei war.«
»Luri, ich weiß, dass Onkel Turéor seltsam ist. Aber ich weiß auch, dass er Schreckliches durchgemacht hat, das ihn heute noch peinigt.« Ihm fielen die Augen zu. »Entschuldige, ich …« Und damit war er auch schon eingeschlafen.
Eri schlief den nächsten Dämmerungszyklus durch und erwachte im Frühdämmer gestärkt und voller Tatendrang. Luri war unterwegs, und Eri wollte sich gerade selbst auf den Weg machen, als ein Diener hereinschaute.
»Erlauchter Prinz, Ihr werdet von Euren Eltern zum Mahl im Thronsaal erwartet«, verkündete er und verbeugte sich. »Wenn Ihr mir bitte folgen wollt.«
Eri nickte und folgte dem Mann auf verschlungenen Wegen durch die Korallen tiefer in den Palast hinein. Für die königliche Familie und die Dienerschaft gab es Wege, die dem
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