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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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Speere sein sollten. Mehr benötigte er nicht. Er legte die gesamte Kleidung ab, bis auf die Waffen, während der Riesengreif über der ausgewählten Stelle kreiste. »Flieg nach Hause, Sahum, und warte dort auf mich!«, rief er zuletzt. Dann stieß er sich ab und hechtete kopfüber in die See. Noch bevor er einschlug, verwandelte sein Körper sich in das verzerrte drachenartige, schwarze Schattenbild, das Erenwin im Spiegel erblickt hatte. Zwischen seinen Beinen bildeten sich Häute, die Halskiemen leuchteten blutrot auf, und gewaltige Armhäute flatterten, als er eine riesige Fontäne auslösend eintauchte.

    »Da ist es!«, rief Erenwin plötzlich. »Das ist die Stelle!« Mit schweren Tritten, die die Planken des Luftseglers erzittern ließen, rannte er zum Bug und deutete aufgeregt nach unten. Von seiner vorherigen Schwermut war nichts mehr zu merken, in diesem Moment schien er wieder mehr Nauraka als Drache zu sein.
    Lurdèa kam an seine Seite, blickte hinunter … und ihr Herz schlug schneller. »Ja«, flüsterte sie. »Ja, du hast recht. Hier wurde ich gefangen …« Sie konnte nicht erklären, woran sie es wiedererkannte. Es war dieser ganz bestimmte Farbton der See, die Art, wie sich die Wellen kräuselten. »Woher kannst du das wissen?«
    »Hier regte sich der Drache, als Turéor starb«, erklärte Erenwin. »Der Sturm damals, du erinnerst dich? Berenvil sagte, dass er ihn heraufbeschwor, um den Drachen aufzuhalten – und dich zu fangen.« Er wies weiter südwärts und nach Osten, wo sich am Horizont ein schmales goldenes Band ausbreitete. »Ich kam dort hinten an Land, da muss irgendwo der Schiffsfriedhof liegen. Ich kann es ganz deutlich fühlen und riechen !«
    »Findest du von hier nach Darystis?«, fragte Kapitän Fwyll.
    »Wir tauchen hier ein«, erwiderte Erenwin.
    »Aber von hier aus sind es Tagesreisen …«, wandte Lurdèa ein.
    »Dennoch müssen wir hier zurückkehren, Schwester«, beharrte er. »Die Perle zwingt mich dazu. Er … wartet auf uns.« 
    »Auf … mich auch?«
    »Gerade auf dich, Lurdèa. Du bist der Schlüssel zu allem … warst es immer.«
    Was blieb ihr anderes übrig. Man widersprach einem Bruder nicht, der zu einem zähnestarrenden Drachenungeheuer geworden war. »Also dann …« Sie wandte sich Fwyll zu. »Ich danke Euch für alles. Bitte richtet auch König Hyan meinen innigen Dank aus, dass er meinen Bruder so gastfreundlich aufnahm und pflegte. Ich werde Eure Freundschaft eines Tages gern vergelten, wenn ich es vermag.«
    Die Daranil, allen voran Yahi und Helur, drängelten sich nach vorn. Jeder wollte als Erster der Prinzessin die Hand zum Abschied reichen. Ihre Flügel rauschten, als sie sich dabei ineinander verhedderten und verhakten, aufgeregt flatterten die Federn im Wind. Lurdèa war gerührt über so viel Aufmerksamkeit und Zuneigung. 
    Die Daranil waren so ganz anders als die Nauraka, ein Volk der Lüfte, viel offener, freier, weniger von Traditionen und Ritualen bestimmt. Ihre ganze Wesensart war von Grund auf heiter und sehr viel unbekümmerter als das eher schwermütige Volk der Tiefe, das sich immer so viele Gedanken um alles machte. Lurdèa hätte gern das Wolkenreich kennengelernt, von dem Erenwin, trotz seines jetzigen Zustands, schwärmerisch gesprochen hatte, mit einem wehmütigen Klang in der Stimme.
    »Wir bleiben in Freundschaft verbunden«, sagte Fwyll lächelnd. »Und ich hoffe sehr, dass Ihr uns eines Tages besuchen kommt.«
    »Ihr sprecht, als ob alles ein gutes Ende nähme«, sagte sie traurig. Die Geflügelten kannten Berenvil nicht.
    »Warum glaubt Ihr nicht an Euch?«, erwiderte der Kapitän. »In Euch stecken unglaubliche Kräfte, Lurdèa, und Euer Bruder … nun, Ihr werdet es erleben. Nach allem, was man sich über ihn erzählt, hat ihn noch keiner besiegt. Und nach seiner Wandlung dürfte das Kräfteverhältnis zum Alten Feind zumindest gleichauf stehen.«
    »Ihr schafft einfach alles!«, platzte Yahi mit glühenden Wangen heraus. »Ihr seid Nauraka!«
    Helur meinte: »Wir würden euch ja beistehen, aber das Wasser ist nicht unser Element. Doch ich bin sicher, ihr seid nicht ganz allein da unten, es gibt noch andere Völker, die an eurer Seite kämpfen werden.«
    »Es ist unser Kampf«, knurrte Erenwin. » Mein Kampf gegen Berenvil, nur darauf läuft es hinaus. Ich werde es beenden. Dank euch allen.«
    »Soll ich … einen Gruß ausrichten?«, fragte Helur vorsichtig.
    »Grüß, wen du willst, Helur, ich habe mich bereits verabschiedet,

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