Nauraka - Volk der Tiefe
klingender Stimme, »ich bitte um Vergebung.« An ihren Schultern entsprang ein doppelflügliger Flossensaum, der sich bis fast zum Fischschwanz hinabzog; ein wenig wie Schwingen geformt, die sie seitlich aufstellen und leicht bewegen konnte. Ein zauberhafter natürlicher Körperschmuck, der seinen Reiz auf niemanden verfehlte.
»Dafür, äh, gibt es keinen Grund, äh …«, stotterte Eri, und nun wusste das Blut ganz genau, wohin es musste: In den Kopf, um ihm ein paar vernünftige Gedanken zu ermöglichen. Doch stattdessen rauschte es nur in seinen Ohren.
Die Nices hielt sich die schlanke Schuppenhand vor den Mund und kicherte. Dann setzte sie die Unterhaltung fort: »Warst du schon mal oben? Über dem Wasser?«
»Nein«, antwortete Eri wahrheitsgemäß. »Das ist tabu für uns.«
»Ach, und wer bestimmt das?«
»Nun … der Hochfürst. Das ist sein Recht als Herrscher. Es dient unserem Schutz.«
Sie schwamm dicht um ihn herum, ihre lange Schwanzflosse mit den zarten Schleierenden legte sich um ihn und ließ ihn erbeben. Ein Glück, dass die Nauraka feste, vielfach gewickelte Stoffe trugen. »Du hast nie die reine Luft geatmet? Den Himmel gesehen, im Licht der Sonne gebadet? Oder gar im Mondschein getanzt, während das kalte Licht sich tausendfach auf den Wellen bricht?«
Ihre Stimme klang verführerisch, versetzte die Wellen in Schwingungen und brachte seine Haut zum Kribbeln. Eri sah sich besorgt um. Wenn das jetzt ein Vertrauter seines Vaters mitbekam, war die nächste Rüge fällig. Momentan schien er ständig in Schwierigkeiten zu geraten. Ach was, momentan, was war jetzt anders als sonst? Also … einfach mitten hindurch. Immerhin war es mal eine angenehme, erregende Bewegung. »Das habe ich nicht«, sagte er schließlich.
»Es ist berauschend«, wisperte sie nah an seinem Ohr.
Er spürte, wie sich ihre nackten Brüste an seinen Rücken drückten. Weich und zugleich … aber nein, das war unmöglich, die Kleidung hielt alles ab, er bildete sich das Ganze nur ein. Das konnte er alles gar nicht spüren. Und sein schwerer Atem hatte bestimmt einen anderen Grund. Schlechtes Wasser, wahrscheinlich, was kein Wunder war bei so vielen verschiedenen Wesen auf engstem Raum und …
Sie fuhr fort zu säuseln: »Du hörst Melodien, die du hier unten niemals erahnen würdest …«
»Ich weiß nicht, ob ich das ertragen könnte«, murmelte er und spürte, wie sein Kopf ganz leer wurde. Nachdem er ohnehin keinen vernünftigen Gedanken zustandebrachte, wollte sein Blut sich anderswo nützlich machen. Hoffentlich merkte niemand, was hier vor sich ging! Der Zorn seines Vaters würde vermutlich keine Grenzen kennen, dass der Prinz der Darystis, auch wenn er nur zweite Wahl war, sich so unzüchtig von einer Nices umgarnen ließ.
»Warum probierst du es nicht einfach aus?«
»Was meinst du damit?«
Sie verharrte vor seinem Gesicht. »Ihr lebt doch am Vulkan, was fragst du also?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, gestand er verwirrt.
»Es gibt Grotten darin, die nicht geflutet sind«, erklärte die Nices, als sie einsah, dass er wirklich keine Vorstellung hatte. »Der Vulkan erhebt sich über das Wasser hinaus. Du kannst dort gefahrlos ausprobieren, ob dir das Atmen ohne Kiemen gefällt.« Ihre Hand strich behutsam an seinem Hals entlang, an dem die Kiemen weit gebläht waren. »Deine Lungen füllen sich mit Luft, und du nimmst unglaubliche Dinge wahr.«
»Im Vulkan?«
»Oh ja. Such dir einen Weg nach oben, es ist ganz einfach. Gesell dich doch einmal im Dunkeldämmer zu uns. Wir halten uns oft dort auf, drüben auf der anderen Seite von euch, tanzen und singen, und ein paar haben auch Instrumente.«
Eri schluckte mehrmals heftig. »Aber warum … ich?«
Da kicherte sie wieder. »Süßer, naiver, unschuldiger kleiner Nauraka. Finde es heraus!« Mit einer leichten Drehung war sie fort, in der Menge verschwunden.
Eri beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern besser nach Luri zu suchen. Wahrscheinlich hielten sie und ihre Freundinnen sich inzwischen innerhalb des Korallenriffs auf, um in einer der prächtig ausgestatteten Kavernen etwas zu sich zu nehmen. Also machte er sich auf den Weg dorthin, als plötzlich vor ihm ein Tumult entstand.
Jemand rief: »Haltet den Dieb!«, und im selben Moment sauste etwas Kleines an Eri vorbei. Er vernahm ein warnendes Flüstern in seinem Innern. Instinktiv griff er zu und hielt einen zappelnden Jungen auf, der einen Korb voll Fische bei sich
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