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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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glaubst!«, knurrte der Junge.
    »Das werde ich auch.« Eri packte den Jungen an der Schulter. »Los, führe mich.« Den Fischkorb behielt er fest im Arm.

    Schnell schwammen sie hinab in die Gefilde des Zwielichts und ließen das Riff hinter sich. Eri war erstaunt, als der Junge auf einen Ausläufer des Vater-Vulkans zuhielt, der nicht weit von hier seine finsteren Finger emporreckte. Felsen türmten sich auf, die von schleimigen Algen bewachsen waren. Keine Blumentiere fühlten sich hier wohl, und dementsprechend gab es auch nur wenige Fische. Kein Wunder, dachte Eri bei sich, denn das Wasser hatte hier einen metallischen Geschmack, war fast unangenehm warm, und die vielen brodelnden Schlote trübten die Sicht. Irgendwo in der Nähe, um den Berg herum und tief in Inneren, musste die Vulkanschmiede liegen, deren genaue Position nur Eris Eltern und dem Schmied selbst bekannt war.
    Kein schöner Ort zum Leben – und doch schwamm der Junge genau zwischen den Felsen hindurch, immer tiefer hinein, wo es nur noch trübes Dämmerlicht gab. Eri erkannte schließlich künstlich behauene Höhleneingänge, Löcher in den Felsen, die … zur Durchsicht dienten? Ein trauriger, kranker Ort – und Nauraka lebten hier. Er konnte es nicht fassen. Männer, Frauen und Kinder. Sie alle trugen dieselben Lumpen wie der Junge, ihre Augen blickten leer und stumpf. Die Höhleneinrichtungen waren jämmerlich, kaum Licht, die Schlafnetze aus grobem Tanggewebe, das nicht einmal die Fischtreiber verwendeten.
    Eris Anwesenheit wurde natürlich sofort bemerkt, und die Einwohner kamen von überall her. Der Junge hielt an, als ein Erwachsener, der ihm sehr ähnlich sah und demnach sein Vater sein musste, den Weg versperrte.
    »Was ist passiert?«, fragte der Mann und starrte den Prinzen feindselig an.
    »Er wollte unbedingt mit«, gab der Junge Auskunft. »Er trägt deine Fische.«
    »Her damit«, befahl der Mann.
    Eri war so verblüfft, dass er den Korb anstandslos aushändigte. Seine Kiemen wollten sich blähen, doch der Ekel vor dem schlechten Geschmack des Wassers, das nur schwer zu atmen war, hinderte ihn. Ablehnung schlug ihm wie eine eisige Welle entgegen und erweckte Furcht in ihm. Er sollte hier nicht sein. Das hier war noch gefährlicher als der Sturz in die Stille Tiefe. Der Junge war auf dem Markt in Gefahr gewesen, weil er nicht Teil der Welt dort war – und hier war es gerade umgekehrt, nun war Eri der Fremde.
    »Wer seid ihr?«, fragte er leise. »Wieso lebt ihr hier?«
    »Beleidige uns nicht mit solcher Torheit«, sagte der Mann böse.
    »Er weiß es wirklich nicht, Vater«, warf der Junge ein. »Er ist total ahnungslos und dumm.«
    »Und wer ist er?«
    »Prinz Erenwin. Er half mir gegen den Händler, der mich des Diebstahls bezichtigte.«
    Eris Nickhäute klickten hektisch. Hätte der Junge bloß nichts über seine Herkunft gesagt! Das Funkeln, das jetzt in die Augen des abgerissenen Nauraka trat, konnte nur Unheil bedeuten.
    »So, der kleine Prinz«, sagte der Mann höhnisch. »Seit wann interessieren sich Angehörige der fürstlichen Familie für die Belange des Volkes?«
    »Ich habe nichts hiervon gewusst, und deswegen verlange ich jetzt Aufklärung.« Eri wusste, dass er hier nicht mehr lebend herauskam, wenn er seine Angst zeigte. Natürlich hatte er nicht die geringste Chance gegen all diese Leute, erst recht nicht gegen ihren lang gehegten Hass. Deshalb musste er genug Autorität zeigen, um sie in die Schranken zu weisen. Vielleicht war doch noch ein Funken anerzogener Respekt in ihnen verblieben.
    »Also schön, Prinz Erenwin«, äußerte der Mann verächtlich. »Was du hier siehst, ist die Unterstadt, die man in euren Gefilden verschweigt. Sicher bist du bisher keinem von uns begegnet, denn Ragdur sorgt dafür, dass die Grenzen gewahrt bleiben. Wir leben auf engem Raum.« Er wies um sich. »Wenn jemand für schuldig befunden wird, wird seine gesamte Familie mit in die Verbannung geschickt. Hierher. Das Wasser erregt Brechreiz und verursacht Erkrankungen der Kiemen, es gibt so gut wie keine Nahrung oder Stoffe, um gute Kleidung oder auch nur eine passende Einrichtung herzustellen. Wir sind die Ausgestoßenen am Rand eurer sauberen, friedlichen, reichen Gesellschaft.«
    »Aber … aber warum?«, flüsterte Eri.
    »Nun, Ragdur ist ein strenger Patriarch. Er fällt keine milden Urteile. Wer gegen seine Gesetze verstößt, egal gegen welche, wird für immer verbannt. Es ist wahr, er verurteilt niemanden zum Tode, weswegen

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