Nauraka - Volk der Tiefe
neuerlich seinen Zorn heraufbeschwören.«
»Und weil er mich ebenso wenig leiden kann wie dich, denkst du, bin ich der beste Begleiter?« Der alte Nauraka lächelte.
»Luri will bestimmt noch nicht zurück, und nur mit den Wachen mag ich nicht reisen.« Eri zeichnete mit den Händen eine auffordernde Geste. »Und ich muss weg hier, sonst mache ich noch etwas Dummes.«
»Das kann ich natürlich nicht zulassen.« Turéor lachte und verließ seinen Platz. Dann musterte er Eri ernst. »Was beschäftigt dich?«
»Die Verbannten, Onkel. Was kann ich für sie tun?«
»Nichts, Junge. Nicht jetzt. Tut mir leid.«
Eri presste verbittert die Lippen aufeinander. »Dann schwimme ich besser fort.«
Sie nahmen keine Sänfte, sondern schwammen selbst. Vier Wachen folgten ihnen in angemessenem Abstand als Geleitschutz, sodass sie sich ungestört fühlen konnten. Aber Turéor redete nicht viel, er schien schwermütiger denn je zu sein, als bedrücke ihn irgendetwas.
Eri war das Schweigen recht, denn ihn beschäftigte selbst viel zu viel. Vor allem zog es ihn zu seiner schwarzen Perle zurück, die jetzt kostbarer denn je für ihn war, denn sie war etwas, das ihm ganz allein gehörte, nachdem er alles andere verloren hatte. Etwas, das ihm Antrieb gab. Vor allem hatte er einmal Zeit nur für sich; die halbe Stadt war auf dem Markt, und er brauchte sich nicht ständig beobachtet zu fühlen. Einiges von dem, was Turéor gesagt hatte, hatte ihm zu denken gegeben. Nach wie vor wusste er nicht, was dessen Verwirrung zuzuschreiben und was Wahrheit war,, doch wenigstens eines konnte er herausfinden. Turéor hatte ihn noch einmal aufgefordert, sich den Himmel anzusehen, und diesmal hatte Eri ein offenes Ohr dafür. Die neckische Nices hatte es ihm kurz zuvor ebenfalls vorgeschlagen und ihn neugierig gemacht. Und er wollte es ja sowieso schon lange wissen, schließlich hatte er vorgehabt, mit Hallog zu reisen. Wenn es also eine heimliche Möglichkeit gab, wollte er doch jetzt …
»Was heckst du aus, Junge?«, unterbrach der alte Nauraka seine Gedanken, und Eri flösselte ein wenig hektisch und ertappt, lenkte aber durch weiteren Schwung gleich um auf eine andere Geste, nämlich die der Schalkhaftigkeit.
»Nichts weiter, Onkel, ich dachte nur gerade an ein Mädchen.« Das war nicht einmal gelogen, denn bei der Erinnerung an die schuppenfreien straffen Brüste der Nices, mit den auffällig rot leuchtenden Brustwarzen, wurde ihm schon wieder heiß und kalt. Das sollte für den Onkel zur Ablenkung genügen, der nicht zu wissen brauchte, dass Eri seinen Vorschlag gleich in die Tat umsetzen wollte – am Ende verlangte er noch, mitzukommen! Eri wiederum würde seine aufwühlenden Gedanken mit seinem wahren Vorhaben ablenken.
Turéor nickte. »Das ist ganz normal für dein Alter, aber du wirst dich zusammennehmen, verstanden?« Seine Stimme klang ungewohnt streng. »Du weißt, dass dir als Prinz keine Unkeuschheit gestattet ist …«
»… obwohl ich verstoßen bin und der hohe Erbprinz sich nie daran gehalten hat?«, entfuhr es Eri erbost, und jetzt musste er sofort einen Tanz der Entschuldigung einleiten. Sich so dem ehrwürdigen Alten gegenüber zu verhalten ziemte sich noch weniger als Unkeuschheit.
Der Onkel ging darüber hinweg. »Er hat sich daran gehalten, Naseweis, doch da warst du noch nicht auf der Welt. Dein Bruder ist schon lange großjährig und berechtigt, du hingegen nicht.«
»Aber alle anderen wissen schon, wie es ist«, maulte Eri, noch während er tanzte. »Und Luris Freundinnen stellen mir nach und machen sich lustig über mich.«
»Du zählst gerade ein paar Korallenringe und lebst noch viele Korallenbäume, und jetzt Schluss damit!« Turéor versetzte ihm einen leichten Schlag an den Kopf. »Du hast nichts als Flausen da drin, junger Mann. Zieh dich in dein Gemach zurück und fang an, dich auf das neue Leben vorzubereiten. Es wird nicht einfacher für dich, sondern schwerer. Viel, viel schwerer.«
»Ja, Onkel. Ich werde in mich gehen und wünsche dir eine schöne Zeit, der Palast gehört ganz dir.«
»Danke«, sagte Onkel Turéor überrascht und spreizte geschmeichelt die Finger. »Ob ich wohl bedient werde?«
»Ganz wie der edle Mann, der du bist«, antwortete der Prinz.
»Das ist durchaus erfreulich, ich werde gleich einiges zu befehlen haben, ja, und dann war da noch der Scherenkneifer …«, murmelte Turéor zerstreut vor sich hin und trieb davon, ohne weiter auf den Prinzen zu achten.
Fröhlich schwamm
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