Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
Vom Netzwerk:
seine Rache.«
    Eri merkte, dass der Geist seines Onkels abdriftete, in Sphären, die nur ihm bekannt waren. Bald würde er nur noch wirr daherreden. Deshalb hatte es auch keinen Sinn, jetzt noch Fragen zu stellen.
    Er fuhr zusammen, als Turéor ihn plötzlich fast zornig anfunkelte. »Und wann sagst du es mir?«
    »Was meinst du, Onkel?«
    »Was du mitgebracht hast aus der Tiefe! Und wer du geworden bist!«
    »N-nichts, Onkel, ich …«
    »Ah! Bleicher Fisch, keine Qualle mag das. Weiche den Tiefen!«
    Damit verschwand der alte Nauraka, und Eri blieb völlig verwirrt und besorgt zurück.

    Sein Vater hatte bestimmt, dass Eri ihm aus dem Weg gehen musste. Da er bereits mit dem Landhändler Hallog gesprochen hatte, sah der junge Prinz ohnehin keinen Grund, länger zu verweilen und den Hochfürsten noch mehr zu erzürnen. Luri würde wohl nichts geschehen, außerdem war der Markt ohnehin bald vorbei. Er suchte eine Weile nach seiner Schwester, doch sie war viel zu sehr mit ihren Freundinnen beschäftigt. Daraufhin wandte er sich an Turéor, der sich für gewöhnlich allein am Rand des Riffs aufhielt, kurz vor der Sonnenlinie.
    »Onkel, was hältst du davon, wenn wir nach Hause schwimmen?«, fragte Eri, kaum dass er bei dem alten Mann angekommen war.
    Der hochgewachsene Nauraka starrte unverwandt nach oben, und Eri war nicht sicher, ob er ihn gehört hatte. Vielleicht erinnerte er sich nicht einmal an ihr kürzliches Gespräch, das mit so seltsamen Worten geendet hatte. 
    »Der Himmel dort oben ist violett«, sagte Turéor schließlich. »Das war er nicht immer. Kennst du die Sterne, Erenwin?«
    »Nein, Onkel Turéor.«
    »Sieh sie dir an. Und die Sonne. Atme die wasserlose Luft. Und erkenne, wer du bist.«
    Turéor war ein seltsamer Mann. Und manchmal sagte er die Wahrheit, so als wüsste er von Eris Träumen. Aber das war jetzt nicht angebracht. Eri richtete den Blick auf seine Welt, um das Wirkliche zu sehen, worauf er sich konzentrieren musste. Luris wegen.
    Unter ihnen schwirrte das Leben, tausende Tonwellen schallten durch das Wasser, und in dem Gewimmel war kaum noch ein einzelnes Wesen auszumachen. Selbst verfeindete Völker pflegten an diesem Ort einen harmonischen Umgang miteinander. Für alle war der Markt ein großes und sehr wichtiges Ereignis, und es kam daher so gut wie nie zu Zwischenfällen. Turéor hatte schon ein paar Mal darauf hingewiesen, dass dies Fürstin Ymde zu verdanken war. Durch den Schutz, den sie beständig wob. Und erst beim letzten Gespräch vor kurzem hatte er es noch einmal bekräftigt: Sie war eine Hüterin der See. Unter anderem deshalb waren die Nauraka einst von großer Bedeutung gewesen. 
    Doch heute nicht mehr. Und wenn es stimmte, dass Eris Mutter die Letzte ihrer Art war, dann war es nach ihrem Tod vorbei damit. Das Volk würde in Vergessenheit versinken und schließlich vergehen, aufgelöst in die See.
    »Wäre es so schlimm, wenn die Nauraka dahinschwinden?«, murmelte Eri. Ihm war es nunmehr gleich, ob er ein Nauraka, Nices oder sonst etwas war. Er war immer voller Stolz auf sein Volk gewesen und hatte es anderen überlegen gehalten. Bis er die Verbannten gesehen hatte, und die Selbstverständlichkeit erkannte, mit der alle darüber schwiegen und es als Tabu akzeptierten.
    »Es würde alles verändern, Junge«, antwortete Turéor traurig. »Der Seedrache würde sich mit uns auflösen, und dann wäre die Umschließende See nichts weiter als ein namenloses Meer, in das die unwissenden Landfischer ihre Netze werfen. Du verstehst es nicht, aber Waldsees Seele liegt hier verborgen. Die Welt würde ihre Magie verlieren, und in ihrer Melodie würden die Hälfte der Töne verstummen.«
    Das kam Eri sehr übertrieben vor, trotzdem jagte es ihm einen Schauer den Rücken hinunter. »Dann gibt es also noch Seedrachen?« Schon seit Generationen war keines dieser mystischen Wesen mehr gesehen worden.
    »Es gibt immer mindestens einen, Eri. Solange es uns gibt.«
    »Aber warum sehen wir ihn nie?«
    »Weil unsere Augen blind geworden sind. Und unsere Ohren taub.«
    »Hm«, machte Eri und kratzte sich den Kopf. »Kann meine Mutter ihn denn nicht hören?«
    Turéor richtete zum ersten Mal den Blick auf ihn. »Kluges Bürschlein«, schmunzelte er und fuhr mit einer kurzen zärtlichen Regung durch seine Haare. »Nun denn, du willst nach Darystis zurück?«
    »Ich sollte Va… Ragdur besser aus dem Wege gehen«, erklärte der Prinz. »Aber ich darf bestimmt nicht allein los, das würde

Weitere Kostenlose Bücher