Nauraka - Volk der Tiefe
Janwe sich mit dir herumschlagen, das ist in jedem Fall der elegantere Weg. Und dieser Tangweber Turéor soll sie ebenfalls begleiten, dann bin ich euch wenigstens beide los, ohne euch noch länger durchfüttern zu müssen, und das Seelenwohl meiner Gattin ist ebenfalls nicht bedroht.« Er wies auf den Ausgang. »Entferne dich, und sieh zu, dass du mir in der nächsten Zeit nicht unter die Augen kommst. Scher dich weg! «
Eri drehte sich wortlos, ohne Bückling, um und schwamm zurück in die Kaverne. Niemand beachtete ihn dort, das Fest war in vollem Gange, die Stimmung ausgelassen. Die Wachen ließen ihn anstandslos durch, als er benommen nach draußen tauchte und sich vom Markt entfernte.
Knapp unter der Sonnenlichtgrenze setzte Eri sich auf einen Korallenstamm und blickte sehnsüchtig nach oben, wo in weiter Ferne ein violettfarbenes Schimmern lag.
5.
Das Versprechen
Eri regte sich nicht, als Onkel Turéor bei ihm auftauchte. Der alte Nauraka setzte sich neben ihn und blickte versonnen in die Ferne.
»Ich weiß, was passiert ist«, sagte er schließlich.
»Woher?«, fragte der Prinz leise. Seine Wangen brannten immer noch von dem heißen Öl seiner Augen.
»Ich habe gelauscht, was sonst?« Turéor lächelte kurz, als Eris Kopf ruckartig zu ihm herumfuhr.
»Luri … sie darf es nie erfahren«, stieß der Jüngling hervor.
»Natürlich nicht. Dein Vater wird auch den Schein wahren, dessen kannst du gewiss sein.«
Eri ließ den Kopf sinken. »Er ist nicht mehr mein Vater«, flüsterte er. »Denn ich bin nicht mehr sein Sohn.«
»Du bleibst aber dennoch der Sohn deiner Mutter«, versetzte Turéor. »Auch, wenn sie dir das nicht zeigen kann. Du musst verstehen, sie ist … anders. Eine Hüterin der Gefilde. Solche wie sie gibt es nicht mehr, sie ist die Letzte. Man nannte ihre Art einst die Töchter des Seedrachen . Sie sind so sehr mit der See verbunden, dass sie kaum von dem berührt werden, was unmittelbar um sie geschieht. Deine Mutter hört die Stimme der See.«
»Wird sie mich vermissen?«
»Nein. Denn sie wird dich nicht verlieren. Sie wird dich aus weiter Ferne als unverwechselbaren Ton hören. Du wirst ein Teil der Stimme der See für sie sein.«
War das ein Trost? Natürlich nicht. Eri hatte nichts für das vergeistigt-magische Wesen der Nauraka übrig. »Onkel … hast du je geliebt?«
»Warum fragst du danach?« Tiefer Schmerz lag in Turéors Augen, und seine Stimme schwankte.
»Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen.« Eri bewegte rasch die Hand in einer Geste der Versöhnlichkeit. »Das war eine dumme Frage.«
Turéor neutralisierte die Geste durch eine schnelle Abweisung. »Du stellst keine dummen Fragen, Erenwin. Ich möchte wissen, was dich bewegt. So lautete meine Gegenfrage.«
Eri sah dem Onkel in die Augen. »Dir hat es wehgetan, geliebt zu haben. Mir tut es weh … es nicht zu dürfen.«
Der alte Nauraka legte die Hände an seine Schultern. »Was du heute getan hast, war unglaublich mutig und einsichtig, Junge. In dir lebt das Blut der Vorfahren wieder auf. Was du fühlst, was dich beschäftigt, was du als ungerecht empfindest … all das ist ein Ruf der Vergangenheit. Unser Volk war nicht immer so wie jetzt. Es ist alt geworden und hat sich fast vergessen. Wir leben weit verstreut in kleinen Sippen. Lange Zeit habe ich befürchtet, dass wir aussterben werden. Doch du und Lurdèa … ihr seid wie ein Neubeginn. Halte daran fest. Vor euch liegt eine große Zukunft. Und glaub mir, deine Liebe wird gebraucht, und sie wird dankbar angenommen werden.«
Eri hätte ihm so gern geglaubt. Aber sein alter Onkel war nicht mehr ganz bei Verstand, das wusste jeder. Er sprach von Dingen, die es längst nicht mehr gab. Alles hatte sich verändert, und das wollte Turéor einfach nicht wahrhaben. Doch man konnte nie mehr zurück. Das hatte Eri von den Jägern gelernt. Auf der Jagd ging es immer nur vorwärts, niemals zurück. Und mit den Nauraka war es nicht anders. Ragdur war nun Hochfürst, und nach ihm würde es Lurion sein. Weder Erenwin noch Lurdèa würden jemals Einfluss ausüben können.
»Sie darf nicht heiraten«, entfuhr es ihm.
»Lurdèa? Das kannst du nicht verhindern. Niemand kann das. Insofern ist es gut, dass Ragdur uns beide als ihre Begleitung mit fortschickt. Wir werden auf sie achten.« Turéor löste seine Hände. »Wir müssen weg von hier. Und die Prinzessin ist in Gefahr. Der Alte Feind … er ist immer wachsam, und er hat uns nie vergessen. Er wartet auf
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