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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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verstoßen wurde und nirgendwo anders hinkonnte. Bei den Nauraka gab es keinen Platz mehr für ihn, und bei anderen Seevölkern zu leben konnte er sich nicht vorstellen. Sie würden ihn niemals als ihresgleichen anerkennen und genauso belächeln, wie sie Turéor immer belächelt hatten. Der einzige Ausweg, der ihm blieb, war das Land. Und vielleicht würde er dies eines Tages auch wahrnehmen. Aber er hatte Luri das Versprechen gegeben, und sie brauchte ihn jetzt mehr denn je. Ganz gleich, was er dafür auf sich nehmen musste – er würde in ihrer Nähe bleiben.
    »Nun?«, hakte Janwe nach.
    »Ich bleibe«, sagte Eri schweratmend. »Natürlich bleibe ich, denkst du, ich überlasse meine Schwester schutzlos deinen machtgierigen Tentakeln?«
    »Dann wirst du dich wohl an die Regeln halten müssen, liebster Brautbruder, denn sonst kann ich weder für Lurdèas Sicherheit noch für die deines Onkels garantieren«, erklärte Janwe süffisant. »Halte dich zurück. Du kannst dich frei bewegen, aber du wirst die Grenzen nicht verlassen. Und du wirst mir den Treueid schwören. Du kannst dich einleben, bis ich festgestellt habe, wofür du taugst, und dich dann entsprechend einsetzen. Du wirst widerspruchslos gehorchen. Wenn du dich anständig aufführst, darfst du deine Schwester sehen. Wenn nicht, bleibt die Tür geschlossen. Haben wir uns verstanden?«
    »Sicher«, stieß Eri zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Alles, was du willst, lieber Schwestergemahl. Ich bin dein demütiger Diener.«
    »Oh, noch lange nicht«, grinste Janwe. »Du bist ein stolzer Prinz. Aber bewahre dir das ruhig, denn du bist keiner vom Volk, und das sollen sie auch wissen. Egal, was ich mit dir mache – allen anderen gegenüber bist du der edle Prinz aus Darystis, Sohn des Hochfürsten. Wenn sie dir keinen Respekt entgegenbringen, töte sie. Wir dürfen keinerlei Schwäche zeigen.«
    »Ja.«
    »Dann schwöre mir jetzt!«
    Eri sah zu Turéor, der ruhig und unbeteiligt dasaß, als ginge ihn das alles nichts an. Wie es aussah, würde er sich nicht dazu äußern, ihm Rat geben oder ihn unterstützen. Er musste die Entscheidung ganz allein treffen.
    »Also gut«, sagte er mühsam. »Ich schwöre dir hiermit die Treue, Janwe von Karund, dass ich zu dir stehe und deine Befehle befolge, bis ich sterbe oder du mich davon entbindest.«
    Janwe öffnete den Mund, um den Schwur anzunehmen, doch Eri war noch nicht fertig.
    »Oder bis du deine fürstliche Verpflichtung mir oder dem naurakischen Volk gegenüber brichst.«
    Denn ein Treueid zog immer auch Konsequenzen von der anderen Seite nach sich: Der Fürst war dazu verpflichtet, Eri zu versorgen, und er hatte auch eine Pflicht dem naurakischen Volk gegenüber, es vor allen Gefahren von außen zu schützen. Diese Pflicht eines Herrschers war unumstößliches Gesetz; Janwe brauchte im Grunde daran nicht erinnert zu werden, aber Eri wollte ihm zeigen, dass er keineswegs dumm war und sich in diesen Dingen auskannte. Kein Eidpflichtiger musste seine Ehre aufs Spiel setzen, wenn sein Herr Verrat übte. Das naurakische Volk stand immer über allem.
    »Wohl gesprochen«, sagte Janwe erstaunt. »Der fürstliche Eid. Ich dachte, den kennt heutzutage keiner mehr.«
    »Darauf trinke ich«, rief Turéor dazwischen und griff nach einem Schnabelkrug.
    »Also nimmst du an?«
    »Ich nehme an.«
    Natürlich nahm Eri an, er hatte gar keine andere Wahl. Auch wenn er nur der zweite in der Thronfolge war und derzeit als verstoßen galt, stand Eri als geborenes Mitglied der durch seine Mutter repräsentierten königlichen Sippe im Rang über dem Fürsten von Karund. Dieses Blut zählte auch heute noch mehr als jedes andere; das beste Beispiel war Turéor. Doch Janwe nahm es nicht übel. Er lachte und hob ebenfalls seinen Krug mit dem langen dünnen Schnabel. »Auf euch, meine Verbündeten und geliebten Brautverwandten!

9.
Keine Aussicht

    Fürst Janwe schloss sich nun der grölenden Männergesellschaft an, und Eri und Turéor zogen sich in ihre Gemächer zurück. Die Wachen zeigten keinerlei Regung, machten ihnen nicht einmal die Tür auf. Eri wollte gleich zu seiner Kammer, als er das Schluchzen aus Turéors Raum hörte, und er folgte dem Onkel.
    »Jemuma!«, rief er. Eilig schwamm er zu ihr und nahm sie in die Arme. »Liebe Jemuma, weine nicht.«
    »Sie haben mich von ihr getrennt«, schluchzte die alte Frau. »Ich hörte sie weinen, aber ich durfte nicht zu ihr …«
    »Was hat er mit ihr gemacht?«, fragte Eri,

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