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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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während er sich aus ihr zurückzog und nach seiner Kleidung griff. »Also gut, schließen wir einen Handel. Werde schwanger, und du darfst deinen Bruder sehen. Ich werde dir sogar erlauben, ihn zu besuchen. Und wenn du nicht so töricht bist und eine Flucht planst, muss es nicht bei diesem einen Mal bleiben.«
    »Nur kurz«, flehte sie. »Heute. Oder morgen.«
    »Ich habe dir die Bedingung genannt. Es liegt bei dir«, erwiderte er leichthin und verließ sie.

    Eri streifte allein durch die Stadt – das bedeutete, ohne seinen Onkel, da dessen Wachen natürlich immer in seiner Nähe waren – und dachte nach. Es entsprach schon den Tatsachen: Jeden Dämmerungszyklus, den er länger hier verbrachte, wurde er gereizter, ungeduldiger, angriffslustiger. Wahrscheinlich lag es an allem zusammen – der flüsternde Einfluss seiner Perle, der ihn zwang, Dinge zu tun, die er im Grunde seines Herzens nicht wollte, dazu die Strömungen des Wassers, und sein Unvermögen, etwas gegen Janwe zu unternehmen.
    Allem Anschein nach bereitete der Fürst einen Kriegszug gegen eine benachbarte Sippe der Nices vor. Kein leichtes Unterfangen, denn die Nices waren ernstzunehmende Gegner. Janwe hatte Eri bereits mitgeteilt, dass er ihn mitnehmen würde. Vermutlich hoffte er, dass Eri im Kampf umkam, in erster Linie aber wäre der Prinz noch weiter von seiner Schwester entfernt. Das bedeutete für die Darystis, sie mussten bald etwas unternehmen, denn sonst hätten sie wohl kaum noch Gelegenheit dazu.
    Um das Volk auf die neuen Ziele vorzubereiten, hatte Janwe zwei öffentliche Ansprachen gehalten, mit Turéor und Eri an seiner Seite. Es waren flammende Reden gewesen, die tatsächlich auch ihn mitrissen, das musste Eri zugeben, und der Jubel des Volkes schallte ihm jetzt noch in den Ohren. Janwe versprach neue Gründe, eine Vergrößerung der Stadt, mehr Reichtum für alle, und er verstand sich auf die richtigen Worte, Tonfall und Gesten.
    Nun, arm waren sie ja nicht gerade. Genau wie Ragdur versorgte Janwe sein Volk gut. Aber es war nicht frei. Nur wer Soldat oder Jäger war, durfte die Grenze verlassen, sonst niemand.
    Es gab hier keine Verbannten, denn Janwe verhängte in aller Regel das Todesurteil, wenn er nicht ausnahmsweise einmal großzügig war und Gnade walten ließ. Manchmal zwang er einen Verurteilten, wenn er Familie hatte, auch zur Knechtschaft in seinem Palast.
    Eri war niedergeschlagen und wütend, über sich, aber auch die Karunder, die alles hinnahmen. Die drei Korallenstäbe unter Janwes Regierung hatten ausgereicht, um sie zu brechen. Und Luri blühte genau dasselbe Schicksal; dass Eri hingegen nicht lange genug leben würde, ihr Los zu teilen, darüber machte er sich keine Illusionen. Janwe machte in letzter Zeit einen zunehmend ungeduldigen Eindruck auf ihn, wenn er aus dem Frauengemach kam. Für Eri ein Zeichen, dass Luri Janwe weiterhin Widerstand leistete, noch nicht aufgegeben hatte und  am Leben war. Eris Lebenszeit aber verkürzte sich dadurch vermutlich, denn wenn Janwe kein anderer Ausweg mehr blieb, würde er seiner Gemahlin den Schmerz über den Tod ihres Bruders zumuten, um sie gefügig zu machen.
    »Herr?«
    Eri zuckte erschrocken zusammen. Er war so in Gedanken gewesen, dass er nicht auf die Umgebung geachtet hatte. Zudem war er noch nie angesprochen worden, da die Karunder demütig Distanz zu ihm hielten. Er sah sich um; die Wachen waren ein wenig zurückgeblieben und unterhielten sich mit einem von Janwes Beratern. Er lebte nun schon so lange hier, dass sie inzwischen nachlässig geworden waren in ihrem Dienst. Die kindliche Stimme war aus einem Felsloch gekommen, und Eri näherte sich scheinbar unbeteiligt.
    »Was ist?«, fragte er ungehalten. Das fehlte ihm noch, dass er diesen Leuten zu nahe kam und Anteil an ihrem Schicksal nahm. Wohin das führte, hatte sein Vater ihm so deutlich aufgezeigt, dass er es nie wieder so weit kommen lassen würde.
    »Ich bin allein, Herr.« Eri sah in dem Halbdunkel zwei große blaue Augen aufblitzen und die Konturen eines schmächtigen Jungen von etwa acht Korallenringen.
    »Was meinst du damit?«
    »Mein Vater wurde zum Tode verurteilt. Meine Mutter und meine Schwester wurden fortgebracht. Sie verschwanden im Palast.«
    Eri ballte die Faust. Er konnte sich denken, wo sie waren. In dem abgesperrten Bereich, den Janwe »Verwaltung« genannt hatte, und der zur Entspannung seiner Soldaten diente. »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Ich weiß nicht, wo ich hin soll«,

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