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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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flüsterte der Junge. »Ich habe niemanden mehr, und meine Nachbarn wollen mich nicht aufnehmen, aus Angst, dass sie auch verhaftet werden.«
    Schwarze Wut verklumpte Eris Magen. »Ich kann dir nicht helfen.« Er bemerkte, dass die Soldaten die Unterhaltung bald beenden und auf ihn  aufmerksam werden würden. »Ich muss weiter.«
    Ölige Tränen trübten das Wasser. »Bitte, edler Herr«, flehte der Junge. »Vielleicht kann ich Euer Diener werden, damit ich Schutz habe? Wenn ich niemanden finde, bin ich den Soldaten ausgeliefert, und ich weiß nicht, wie ich an Essen kommen soll …«
    Eine kleine Hand tastete nach ihm, doch Eri wich zurück. »Ich kann nichts für dich tun! Ich bin selbst ein Gefangener. Du bist kräftig, such dir Arbeit.«
    »Herr«, schluchzte der Junge, doch Eri schüttelte ihn ab, zischte heiser:
    »Lass mich in Ruhe! Ich kann nichts für dich tun.«
    Hastig schwamm er weiter, so schnell er konnte, ohne sich umzusehen. Die Wachen fuhren herum und folgten ihm eilig, doch er war zu schnell für sie. Damit sie nicht glaubten, er wolle fliehen, nahm er Kurs auf den Palast. Er hatte hier in der Stadt auch nichts mehr verloren, musste weg, sich abschotten und allein sein. Wie recht Turéor hatte. Nun verstand er das zurückgezogene Verhalten seines Onkels endlich!
    Die Türwachen beeilten sich zu öffnen, als Eri hereinraste und noch einige Zeit in seinem Gemach wild im Kreis schwamm, bis er sich endlich einigermaßen beruhigt hatte.
    »Ich kann nichts tun!«, schrie er. »Was verlangt er da nur von mir! Ich tauge zu nichts, ich bin nur Aussatz, ich kann nicht einmal meine Schwester beschützen!«
    Rastlos schwebte er auf und ab, zornig und verzweifelt. Der einzige Trost war seine Perle, nur auf sie konnte er sich verlassen. Er griff in sein Gewand, in die Tasche über dem Herzen, und musste lange suchen und tasten, bis er sie endlich fand.
    Fassungslos sah er sie an.
    Sie war nur noch so groß wie ein Samenkorn, wog jedoch unglaublich schwer und heiß in seiner Hand, glühte von innen heraus. In Eris Kopf dröhnte die Stimme, und vor seinen Augen tanzten schwarze Schleier.
    »Also gut«, flüsterte er. »Ich verliere dich, du wendest dich von mir ab. Doch das werde ich nicht zulassen. Du bist das Einzige, was mir geblieben ist. Du hast mir Stärke gegeben, einen Mann aus mir gemacht. Ich habe dich unter großen Entbehrungen gefunden und mit mir genommen. Du bist mein Eigentum, niemand hat ein Recht über dich. Du gehörst mir, für immer. Und ich werde auf deine Kraft nicht verzichten.«
    Nur noch ein Samenkorn, mehr nicht. Das war das, was blieb. Und er würde es bewahren.
    Mit einer kurzen entschlossenen Bewegung führte Eri die Hand zum Mund und schluckte die Schwarze Perle hinunter.

    Ein tiefer Schlund tat sich auf und verschlang Eri. In einer rasenden Spirale stürzte er kopfüber abwärts in einen endlosen Abgrund. Schmerz raste durch seinen Körper, als würde sein Innerstes nach außen gestülpt. In seinem Geist explodierte ein Feuerball und schien ihn zu verbrennen, weißglühende Funken barsten vor seinen Augen. Das Flüstern steigerte sich zu brüllendem Donner, und riesige Schemen schienen nach ihm zu greifen, ihre Klauen in ihn zu schlagen, ihn zu zerquetschen und zu zerreißen, bis nichts mehr von ihm übrig blieb.
    Keuchend, am Ende seiner Kräfte, sank Eri zu Boden. Seine Haut sonderte blutiges Öl ab, seine Kiemen waren weit gebläht, sämtliche Sinne überfluteten ihn mit Reizen, und er übergab sich würgend, wieder und wieder. Er spürte, dass die Schwarze Perle in seinem Inneren festsaß und sich nicht mehr wegrührte, sich heiß in seine Eingeweide brannte und plötzlich Tonnen zu wiegen schien. Sie war nun ein Teil von ihm.
    Turéor und Jemuma schnellten herein, während Eri sich noch am Boden wand und wie ein sterbender Fisch darüber rollte.
    »Wir haben dich schreien gehört«, rief Jemuma. »Was ist mit dir, Eri?«
    Endlich ließen die Qualen nach, und Jemumas Stimme drang zu ihm durch. Eri gelang es, mit einem leichten Flossenschlag hochzuschweben. Ein Zittern durchlief seinen Körper, aber der Schmerz war so abrupt verklungen, wie er gekommen war, und alles normalisierte sich. Er streifte Öl und sandigen Bodenbelag ab, richtete sich auf und blickte zu den beiden besorgten Alten.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte er ruhig, mit völlig veränderter Stimme; tiefer, klangvoller. Nicht übel, fand er. Mit jedem Atemzug fühlte er sich besser. Viel besser. Lediglich mit

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