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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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dass die Geschichten seines Lebens möglicherweise doch stimmten.
    Eri lernte in vielen Helldämmern die Stadt genau kennen und prägte sich jede einzelne Korallenbiegung des Palastes ein. Jedes Mittlicht suchte er nach einer Möglichkeit, zu Luri zu gelangen, oder sie wenigstens zu sehen. Er gab einfach nicht auf, und es war ihm völlig gleich, ob die Wachen Janwe seine beharrliche Suche berichteten oder nicht. Sollte der Fürst ruhig wissen, dass Eri nicht daran dachte, seine Schwester ihrem Schicksal zu überlassen.
    Doch je mehr Dämmerungszyklen ohne Ergebnis verstrichen, desto ungeduldiger und gereizter wurde Eri. Das drängende Flüstern in seinem Inneren wurde lauter, und die Schwarze Perle fühlte sich heiß an, wog immer schwerer, als erwäge sie, sich von ihm zu lösen und fallen zu lassen, um von jemandem gefunden zu werden, der würdiger war als er. Was wollte sie denn noch? Er unternahm doch schon alles was in seiner Macht stand! Aber Janwe hatte beim Bau seiner Stadt vorgesorgt. Deswegen hatte er so leichtfertig versprechen können, dass sie sich frei bewegen durften. Es gab keine Möglichkeit, von hier zu entkommen, und schon gar keine, zu Luri vorzudringen. Eri hatte sogar nach ihr gerufen, nach kleinen Botenfischlein gejagt, die er ihr heimlich schicken konnte; er hatte alles versucht, doch es gab nur den einen Zugang.
    Um sich nicht ablenken zu lassen, ließ er keine Dienerinnen mehr in sein Netz; einmal war genug. Nun wusste er, wie es ging, und er wusste es durchaus zu schätzen. Aber jetzt gab es wichtigere Dinge.
    Das schien nicht unbemerkt zu bleiben, denn am Hof begann man über den keuschen Prinzen zu tuscheln und hämische Grimassen zu ziehen, wenn er zufällig hinzukam. Anfangs ging er einfach darüber hinweg, doch als es nicht abriss, wurde auch sein Geduldsfaden dünner.
    »Habt ihr nichts Besseres zu tun, als euch das Maul zu zerreißen?«, herrschte er kurz vor Beginn eines Nachtmahls zwei Hofschranzen an, die ihn bei ihrer Unterhaltung plötzlich ansahen und versteckt kicherten.
    Dummerweise traf auch Janwe gerade ein und konnte sich ein Bild darüber machen, wie man sich über seinen edlen Verwandten aus dem fernen Darystis lustig machte.
    Als die beiden sich wortlos von ihm abwenden wollten, verlor der Prinz die Beherrschung. »Ich rede mit euch, seht mich gefälligst an!«, schrie er quer durch die Halle.
    Schlagartig trat Stille ein, und den beiden Hofschranzen blieb nichts anderes übrig, als sich zu ihm zu drehen.
    »Nun«, fuhr Eri fort, und seine Miene verdüsterte sich immer mehr, »also, worüber habt ihr gesprochen? Lasst mich daran teilnehmen, da doch mein Name fiel!«
    »Oh, aber ich bitte Euch, das hat gar nichts mit Euch …«, fing der eine an.
    »Wir sprechen nur voller Hochachtung«, warf der andere ein.
    Schöne Worte, doch ihre Haltungen drückten etwas ganz anderes aus.
    »Wagt es nicht noch einmal, hinter meinem Rücken über mich zu reden und mich auszulachen«, zischte Eri. Er spürte, wie es dunkel in ihm wurde, wie Kälte über seine linke Hand den Arm hinaufkroch und ihn schwarz verfärbte. Das Flüstern in ihm klang wie eine Mahnung. »Entschuldigt euch!«
    Die beiden zögerten und hoben indigniert die Brauen.
    Das war zu viel.
    Mit einem Wutschrei stürzte Eri sich auf den ersten, packte ihn und schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht, zweimal, dreimal, bis das Blut spritzte und sein Körper erschlaffte. Als der andere fliehen wollte, wandte der Prinz sich augenblicklich ihm zu, holte ihn ein und schlug ihn ebenfalls mit bloßer Faust nieder, prügelte auf ihn ein, bis er um Gnade wimmerte.
    Eri hätte noch weitergemacht, wäre da nicht auf einmal Turéor gewesen, der ihn festhielt und behutsam, aber bestimmt von seinem Opfer wegzog. »Es ist genug, Prinz, deiner Ehre ist genüge getan«, sagte er eindringlich.
    Eri war noch immer außer sich, sah alles nur durch trübe Schlieren und Schleier. »Ist hier noch jemand, der über mich lachen will?«, schrie er in die Stille hinein. Nicht einmal die Wachen regten sich. »Wem soll ich den angemessenen Respekt beibringen?«
    Die beiden Hofschranzen taumelten blutend und sich gegenseitig stützend und klagend davon.
    Eris finstere Wut vergiftete das Wasser ringsum, sodass sich weiterhin niemand rührte.
    Bis Fürst Janwes Stimme erklang. »Nun wisst ihr es! Es gibt keinen Grund, an der Männlichkeit meines Brautbruders zu zweifeln, und ich warne euch: Wenn mir auch nur einmal ein Gerücht zu Ohren kommt, werde

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