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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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vor allem auf, dass er nicht die Anrede Nàru benutzte, die für den leiblichen Vater stand, sondern A-Nabúru für Ziehvater. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Janwe hatte erzählt, dass er seine Eltern früh verloren hatte – aber nie einen Ziehvater erwähnt!
    Während Turéor die Umgebung im Auge behielt, schwamm Erenwin eilig die beiden Gemächer links und rechts ab. Er verstand sich auf schnelles Vorankommen, ohne zu viele Wellen zu schlagen, genau wie ein sich anschleichender Seeschwärmer. Schon von früher Kindheit an hatte der Prinz sich unverwechselbare Bewegungen angeeignet, die er im Lauf der Korallenringe so verfeinerte, dass seine Freunde ihn schon auf weite Entfernung an der Art zu schwimmen erkennen konnten.
    Seine Freunde. Wie lange war es her, dass er sorglos mit ihnen getaucht war, auf der Suche nach Abenteuern! Er hatte sich nicht einmal von ihnen verabschiedet, um die Schande nicht offenbaren zu müssen, dass er verbannt war.
    Und nun drang er ins Innerste seines Feindes vor, mit der Aussicht auf den baldigen Tod …
    Niemand hielt sich in den beiden Gemächern auf. Das eine diente Janwe als Schlafkammer, mit einem bescheidenen Schlafnetz, und das andere war mit allem Möglichen vollgestellt: Truhen, Kisten, Schränken – hier gab es sicher einiges zu entdecken. Doch dafür blieb jetzt keine Zeit.
    Erenwin gab seinem Onkel ein Zeichen, als er wieder herauskam, und dann wagten sie sich in das mittlere Gemach, aus dem Janwes Stimme erklungen war.
    An die Wände gepresst, tasteten sie sich durch einen kurzen Gang vorwärts. Dann öffnete sich eine runde Höhle vor ihnen, mit nichts als nackten Wänden – und einem mehr als mannshohen und mindestens so breiten schwarzen Spiegel.
    Der junge Fürst schwebte in demütiger Haltung davor, er schien immer noch auf eine Antwort zu warten. Er achtete in seiner Konzentration nicht darauf, was um ihn herum geschah. Normalerweise vor allem für einen Soldaten ein sträflicher Leichtsinn, war es hier jedoch verständlich, da Janwe in seinen eigenen Räumen bestimmt noch nie heimlich beobachtet worden war und sich absolut sicher wähnen konnte.
    Erenwin und Turéor verharrten, als der Rahmen des Spiegels plötzlich aufglühte und sich graue, nebelartige Konturen in dem tiefen Schwarz abzeichneten. Eine magische Strömung griff nach Erenwin, und er fühlte einen schmerzhaften Druck in seinem Leib, als würde die Schwarze Perle sich dagegen wehren.
    »Du bringst gute Nachricht, Sohn?«, erklang eine fremdartige Stimme aus dem Spiegel, und Erenwins Herz setzte für einen Schlag aus, als er begriff, woher dieser seltsame Klang kam. Das war ein Landgänger!
    »Ja, mein Vater«, antwortete Janwe. »Ich freue mich, dass du Zeit für mich hast. Wie ich dir bereits gemeldet habe, ist alles vorbereitet. Ich kann bald in den Krieg ziehen.«
    »Das ist gut. Du brauchst mehr Gebiet. Wenn du die Nices unterworfen hast, ziehe deine Truppen zusammen. Jeder, der eine Waffe halten kann, wird verpflichtet. Bilde sie gut aus, aber beeil dich damit.«
    Der Schemen im Spiegel wurde leider nicht deutlicher. Die Stimme klang irgendwie falsch , ohne irgendeine Färbung. Wahrscheinlich absichtlich verfremdet , dachte Erenwin, um unerkannt zu bleiben . Man konnte eine naurakaähnliche Gestalt erahnen, aber mehr war nicht zu erkennen. 
    Atemlos lauschte Erenwin dem Gespräch. Der Schock, dass Janwe hier in selbsterniedrigender Haltung mit einem Landgänger sprach, saß tief.
    »Es wird alles geschehen, wie du es geplant hast, Vater«, versicherte Janwe, überhaupt nicht überheblich und autoritär wie sonst. Er unterwarf sich dem Schemen völlig. Wie konnte er einen Landgänger nur als Ziehvater bezeichnen? Was war damals geschehen, als ein Fischer ihn in seinem Netz fing und an Land brachte? Janwe hatte behauptet, er wäre nicht lange an Land geblieben, und sich nicht weiter dazu äußern wollen. Kein Wunder, denn er hatte gelogen, wie in fast allem, was er den Darystis vorgegaukelt hatte.
    »Das ist gut. Ich habe so lange gewartet! Und nun endlich, endlich, ist die Stunde der Vergeltung nahe.«
    »Ich werde dich nicht enttäuschen.«
    »Dessen bin ich mir sicher. Du hast bisher sehr gute Dienste geleistet. Der Thron des Hochfürsten soll dein Lohn sein, du hast ihn dir redlich verdient. Als mein Vasall wirst du herrschen.«
    »Ich werde nicht König sein?« Janwe klang enttäuscht.
    Die schaurige Gestalt bewegte sich, und ein Lachen drang aus dem Spiegel, das durch die Höhle

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