Navy Seals Team 6
bringen konnte, obwohl wir zu Fuß, mit Kolonnen von Humvees, in Hubschraubern und Flugzeugen patrouillierten und Informationen sammelten. Ich machte ein Foto von zwei Frauen in bunten Gewändern. Sie gingen nebeneinander, jede von ihnen mit einem Baby auf dem Arm. Als ich an sie heranzoomte, konnte ich den Kopf des einen Babys deutlich erkennen, doch die zweite Frau trug zwei Mörsergranaten. Ihre Tarnung hätte fast funktioniert.
Bei unserer Straßenerkundung stellten wir einen Einsatzplan fertig, wie wir Menschen ins Pasha einschleusen und wieder abziehen konnten. Wenn die Zeit für die Ablösung gekommen war, konnten wir zum Beispiel zu einem verlassenen Kamelschlachthof an der Küste fahren, dem Boot mit der Ablösung ein Zeichen geben und den Männern unsere Fahrzeuge übergeben. Wir konnten dann mit ihrem Boot aufs Meer hinausfahren, wo wir von einem Schiff eingesammelt würden. Die SEALs, die uns ablösten, brauchten weniger Gepäck als wir, da wir die schwere SIGINT-Ausrüstung und andere Vorräte bereits ins Pasha gebracht hatten.
Der Schlachthof war riesig und hatte einst den Russen gehört. Mit Beginn des Bürgerkriegs hatten sie sich zurückgezogen. Sie hatten nur das Fleisch und die Knochen der Kamele genutzt und den Rest ins Meer geworfen. Daher tummelten sich an einem der schönsten Strände der Welt nun etliche Haie: Hammerhaie, weiße Haie und sämtliche anderen fiesen Exemplare dieser Gattung. Ich hatte noch nie irgendwo Angst gehabt, ins Wasser zu gehen, doch dort wollte ich ganz bestimmt nicht hinein. Die Einheimischen zum Glück auch nicht und so hatten wir den Strand ganz für uns und konnten ihn für unsere Zwecke nutzen. Dazu kam noch, dass der Strand ganz in der Nähe des Pasha lag. Der Schlachthof war auch vom Meer aus leicht zu sehen, da er einen großen Strandabschnitt einnahm. Das war ideal, um mit Zodiacs – schwarzen Schlauchbooten mit Außenbordmotoren – oder Festrumpfschlauchbooten an der Küste zu landen.
Wir kehrten ins Pasha zurück. An diesem Abend stöhnte der Junge im Nachbarhaus, als ob er im Sterben läge. Ich wusste, was es bedeutete, Schmerzen zu haben. Scheiß drauf . Casanova, ein SIGINT-Sanitäter namens Rick und ich stürmten mit Sturmmützen und MP-5-Maschinengewehren das Haus des Jungen. Wir wollten kein Risiko eingehen. Traten die Tür ein. Fesselten Mutter, Vater und Tante des Jungen mit Handschellen. Legten sie neben der Wand auf den Boden. Natürlich hatten sie Angst, dass wir sie umbringen würden. Wir holten den Jungen ins Haus, damit seine Eltern sehen konnten, was wir taten. Rick holte seine Ausrüstung heraus. Wir entfernten das abgestorbene Gewebe an den Wunden mit Betadine, einem Desinfektionsmittel. Der Junge hatte dabei solche Schmerzen, dass wir ihm den Mund zuhalten mussten, denn sonst hätte er das ganze Viertel mit seinen Schreien aufgeweckt. Er wurde vor Schmerzen und Schock ohnmächtig. Wir gaben ihm eine Infusion mit einem Antibiotikum, verbanden seine Verletzungen und verpassten ihm zwei Spritzen in den Hintern, um die Infektion aufzuhalten. Dann verschwanden wir wieder.
1. September 1993
Als wir am Mittwoch vom Dach aus die Umgebung observierten, sahen wir einen alten Mann mit einem Esel. Der Esel zog einen hölzernen Karren, der auf einer Autoachse befestigt war. Auf dem Karren waren Ziegelsteine gestapelt. Als er wieder zurückkam, lagen die Ziegelsteine immer noch auf dem Karren. Was ist denn hier los? Wir baten einen Agenten, ihm zu folgen. Er fand heraus, dass der alte Mann Mörsergranaten unter den Ziegelsteinen versteckt hatte. Wir meldeten es. Unsere Vorgesetzten gaben uns die Genehmigung, den alten Mann zu töten.
Ein Scharfschütze muss geistig sehr gestärkt sein und festen Halt in einer Religion oder Philosophie haben, die ihn davon abhält, zu töten, wenn es nicht nötig ist, ihn aber gleichzeitig dazu bringt, zu töten, wenn es nötig ist. Bei den Beltway-Scharfschützenangriffen um Washington im Jahr 2002 tötete John Allen Muhammad zehn Unschuldige und verletzte drei weitere Menschen. Schießen kann Machtgefühle auslösen. Ein guter Scharfschütze darf solchen Impulsen natürlich nicht nachgeben. Andererseits darf ein Scharfschütze auch kein Mitgefühl für seine Ziele entwickeln, denn sonst kann er seine Arbeit nicht mehr machen. Durch das Zielfernrohr wird einem Scharfschützen sein Ziel sehr vertraut. Er beobachtet es oft über einen längeren Zeitraum, lernt sein Leben und seine Gewohnheiten kennen. Das Ziel
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