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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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schon
vor über einem Jahr plötzlich entlassen worden. Weiß der Teufel, warum. War nur
zwei Tage hier. Weißt du, was der jetzt macht?«, fragt er mit vollem Mund.
    »Er ist ermordet worden. Vor ein paar Tagen.«
    Der Gebirgsjäger reißt seinen Mund auf, dass man sein Gekautes sehen
kann. »Wieso das?«
    Gropper zuckt die Schultern.
    »So ein prima Kerl. Unsere Kämpfe hat er überlebt, aber kaum ist
Frieden, schon ist er tot. So ein prima Kerl.«
    Dann schluckt er endlich.
    »Kennen Sie auch den Xaver Feigl und den Jörg Kilian?«, fragt
Gropper.
    »Und wie ich die kenn«, bestätigt er. »Mit denen hab ich auf einer
Stube gelegen. Sind vor Kurzem entlassen worden.«
    »Wann war das?«, will Gropper wissen. »Wann genau?«
    »Das weiß ich nicht. War ein Jahr lang mit denen zusammen hier drin.
Leben die wenigstens noch?«, fragt er besorgt.
    Wieder heult die Sirene, Aufstellung zur Arbeitseinteilung. Gropper
muss die Toiletten auf seiner Etage reinigen. Die jeweiligen Kolonnen verteilen
sich sogleich auf die ihnen zugewiesenen Arbeitsplätze. Doch bevor Gropper mit
seiner Kloputzerei beginnt, eilt er noch schnell zum Kommandantenhaus. Durch
die große Lageruhr mitten auf dem Dach ist es leicht zu erkennen. Er muss den
Kommandanten sprechen, muss sofort raus aus diesem Lager.
    Auf dem Weg kommt er an einer Gruppe Internierter vorbei. »Willst
wohl freigelassen werden«, höhnen sie.
    Schon am Eingang des mächtigen Baus weisen ihn die Posten ab: »No
admittance.« Sie lassen sich von ihm nicht einmal erklären, worum es geht.
    Auf dem Rückweg muss er wieder an dieser Gruppe vorbei. Spöttisch
frotzeln sie: »Is wohl nix mit der Extrawuarscht.«
    Gropper eilt weiter zu einem Gebäude, das so aussieht, als könnte es
die Lagerverwaltung sein. Bei der Kontrolle fragt ihn ein Deutscher: »Um was
geht’s?«
    »Ich soll zur Poststelle kommen«, erfindet Gropper. Er hat Glück, er
kann eintreten. Man zeigt ihm sogar den Weg.
    Ein langer, karger Flur tut sich vor ihm auf. An beiden Seiten
reihen sich primitiv gezimmerte Holztüren aneinander. Wo findet er die Registratur
für Entlassene? Er geht an den Türen vorbei und liest die in Englisch und
Deutsch beschrifteten Schilder: »Asservatenregistratur«, »Einkauf«,
»Krankenregister«, »Personal Deutsch«, » US -Personal«,
»Poststelle«, »Straferfassung« und schließlich »Neuzugänge – Abgänge«. Das ist
meine Tür, stellt Gropper erfreut fest und klopft an. Niemand antwortet, er
tritt trotzdem ein und steht in einem Vorzimmer. An einem Schreibtisch sitzt
eine junge blonde Frau vor ihrer Schreibmaschine, raucht und unterhält sich
lachend mit einer anderen jungen Frau, die neben ihr steht. Sie plaudern
vergnügt auf Bayrisch. Gott sei Dank, denkt Gropper, wenigstens keine
Amerikaner. Sie werden mir helfen.
    Während die beiden sich ihre fröhlichen Erlebnisse während der
Feiertage mitteilen, schaut sich Gropper um. Auf einem Schränkchen stehen ein
Tauchsieder und eine elektrische Kaffeemühle, in dem offenen Regal weißes
Kaffeegeschirr, Kaffeepackungen, Libby’s Milchdosen, Zuckerdosen und eine große
Keksschachtel. Über dem Schränkchen hängt ein großer Wandkalender mit einer
wunderschönen Farbaufnahme des Wettersteinmassivs mit Schneefeldern in der
Höhe. Aufgeschlagen ist der Monat Juni mit durchgestrichenen Daten bis heute,
Dienstag, den elften.
    Es dauert eine ganze Weile, bis die Blonde am Schreibtisch ihn
wahrnimmt und ihn anfährt: »Was wolln S’?«
    Gropper erklärt ihr sein Anliegen.
    Das junge Ding braust auf: »Ja, des wär ja noch schöna! Wo kemman
mia denn da hi, wenn jetz scho d’Häftling si des Recht rausnehman tät, ins
Entlassungsregister zschaun?«
    Die neben ihr stehende junge Göre kichert zustimmend.
    »Ich will nicht selbst hineinschauen, ich möchte nachsehen lassen«,
korrigiert Gropper.
    »Des is desselbe. Nix da.« Mit einem triumphierenden Lächeln wendet
sie sich wieder ihrer Kollegin zu.
    Ami-Schicksn. Mistamsel, mistige, knurrt Gropper in sich hinein,
geht und wirft die Tür hinter sich zu.
    Kaum ist er zum Toilettenreinigen wieder auf seiner Etage
angekommen, tritt ihm ein Hüne in den Weg, der mit seiner geschorenen Frisur
aussieht wie ein Zuchthäusler. Wütend klopft er auf seine Armbanduhr und
herrscht ihn an: »Too late. Next time you will be punished. Come on!«
    Der Amerikaner führt ihn zu den Toiletten am Ende des Flurs und
zeigt auf Schrubber, Putzkübel und Klobürsten. Voller Wut macht sich Gropper

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