Nazigold
ihm.
»Wohl auch nicht vom Baugewerbe«, stellt Gropper mitfühlend fest.
Blasen verbinden.
Er schüttelt den Kopf. »Bei meinem Beruf habe ich weiße Handschuhe
getragen.«
»Oh«, staunt Gropper. »Warst wohl Dirigent.«
»Chauffeur«, erklärt der Mann und klemmt seine schmerzenden
Handflächen unter die Achseln. Dabei bleiben sie am schwarzen Tuch seines stark
ramponierten Anzugs kleben.
»Dann hast du sicher einen feinen Pinkel gefahren.«
»Kann man wohl sagen.«
»Wen denn?«
»Den kennst du nicht.«
Sie machen sich wieder an die Arbeit.
»Seit wann bist du im Lager?«, fragt Gropper.
»Schon seit über einem Jahr.«
Gropper muss an Feigl und Kilian denken und will wissen, ob er diese
beiden hier getroffen hat. Doch der Dicke verneint. Er habe diese Namen nie
gehört.
»Und warum bist du hier?«
»Ich konnte meine Hotelrechnung nicht bezahlen.«
»Dafür wird man doch nicht interniert.«
»Ich schon.«
»Aber dafür doch nicht.«
»Zugegeben, meine Papiere waren nicht ganz sauber.«
»Gefälscht?«
»Klar. Sonst hätte man mich gleich geschnappt.«
»Warum?«
»Ist ’ne besondere Geschichte.«
»Quatscht nicht so lang!«, brüllt der Aufseher herüber. »Wir werden
sonst nie fertig!«
»Quatsch du nicht!«, ruft der Dicke zurück.
»Wer bist du denn?«, will Gropper wissen.
»Wolfgang Albrecht.«
Gropper kennt keinen Wolfgang Albrecht.
»Und wer bist du?«, fragt Albrecht zurück.
Schnell erfindet Gropper einen Namen.
»Und warum hat man dich eingelocht?«
»Ich war bei der Gestapo«, lügt Gropper spontan. »Das hat den Amis
nicht gepasst.«
Albrecht fällt fast der Hammer aus der Hand. Gerade will er ihm
bewundernd die Hand schütteln – »Respekt! Respekt!« –, da stürmt wutschnaubend
der Aufseher heran und schnauzt sie an, nicht herumzustehen, sondern zu
arbeiten. Widerwillig beginnen sie wieder zu hämmern, zu sägen und Nägel aus
den Planken zu ziehen.
Nachdem sich der Aufseher weit genug entfernt hat, fragt Albrecht:
»Wo hast du denn Dienst gemacht?«
»Kripo München. Polizeipräsidium.«
»Da kenn ich mich nicht aus. Ich komm aus Berlin.«
Gropper ist erleichtert, dass seine Schwindelei nicht aufgeflogen
ist. Und um von sich abzulenken, hakt er nach: »Wieso kommst du aus Berlin
hierher?«
»Ich habe meinen Chef gefahren. Er hatte in Mittenwald einige
wichtige Dinge zu regeln.«
»Wer ist dein Chef?«
»Ein ganz hohes Tier. Hier im Lager ist er aber nicht. Wäre ihm
sonst schon längst begegnet.«
Jetzt ist Groppers Neugier entfacht.
»Wie heißt er denn, dein Chef?«
»Berger.«
Gropper haut es fast um. Ist das die Möglichkeit? Sein
Bauarbeiterkollege hier war Bergers Chauffeur? Er kann kaum glauben, was er da
gehört hat. »Berger? Dr. Friedrich Berger?«
Nun ist Albrecht ebenso verblüfft. »Du kennst unseren
Obersturmbannführer?«
»Ich habe viel über ihn gehört.«
»Was hast du gehört? Wo ist er? Was macht er?«, bedrängt Albrecht
ihn. »Ich hab ihn schon seit über einem Jahr nicht mehr gesehen.«
Gropper druckst herum. Er weiß nicht, ob er ihm sagen soll, dass
sein Chef ein kleines Mädchen umgebracht hat und in eine Jauchegrube gestoßen
wurde.
Albrecht deutet sein Zögern richtig und fordert eine Antwort: »Was
weißt du über ihn?«
»Berger lebt nicht mehr«, entschließt sich Gropper zu sagen.
Albrecht erstarrt. »Er lebt nicht mehr?«
»Schon seit Anfang Mai ’45 nicht mehr.«
»Bist du da sicher?«
»Ganz sicher.«
»Und woher weißt du das?«
»Gestapo weiß alles.«
»Erzähl«, fordert Albrecht.
Gropper sieht sich um. »Nicht hier. Woanders.«
In dem Moment rennt der Aufseher zu einer anderen Gruppe und staucht
sie zusammen. Gropper und Albrecht nutzen die Gelegenheit und verdrücken sich
geschwind hinter einen der nahen, hohen Bretterstapel, der sie ganz verdeckt.
Dort lassen sie sich auf dem Boden nieder. Gropper streckt ächzend sein
verletztes Bein aus; Albrecht presst seine schmerzenden Hände unter die
Achseln.
»Erzähl«, fordert er erneut.
In kurzen Sätzen teilt Gropper ihm mit, was ihm Fanny Jais über
Bergers Tod berichtet hat. Dass ein gewisser Nafziger, den Albrecht nicht
kennt, ihn umgebracht hat. Albrecht ist erschüttert, auf welche Weise sein Chef
ermordet wurde.
»Das hat er nicht verdient«, bringt er stammelnd hervor. Nach einer
Weile fügt er hinzu: »Ich hab den Obersturmbannführer gern gemocht. Er war ein
feiner Kerl. Ein echter Kamerad. Und immer sehr anständig zu
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