Nazigold
muss er abstreifen, was einige Zeit in
Anspruch nimmt, da er ziemlich fest sitzt.
Penibel trägt eine uniformierte Amerikanerin alle abgelegten
Gegenstände in eine weitere Liste ein. Als sie Krügers Kfz-Papiere und dessen
Ausweis hinzufügt, hat Gropper Angst, dass sie ihn fragt, was das für Dokumente
seien und woher er sie habe, er heiße doch Gropper und nicht Krüger. Schweiß
tritt auf seine Stirn. Doch sie kümmert sich nicht um solche Einzelheiten.
Tausendfach hat sie schon Privatkram registriert, ohne ihn genauer zu betrachten.
Es geht wohl nur darum, dass die Eingelieferten nichts mehr in den Taschen
haben, keine Messer, keine Scheren und ähnliches spitzes Zeug.
Gropper atmet auf. Er hat jetzt nur die Sorge, ob er bei seiner
Entlassung auch alles wieder zurückerhält. Er muss unterschreiben, dann steckt
sie seinen Besitz in einen grauen Beutel, verschließt ihn und heftet die Liste
daran. Schließlich wirft sie seine Sachen zu all den anderen Beuteln in einem CARE -Paket-Karton.
Am Schluss wird er von einem GI von
oben bis unten abgetastet und durchsucht, wie schon vor Nafzigers Garage:
nichts mehr in den Taschen. Gott sei Dank hat er seine Goldmünze bei Maier
gelassen, und dreimal Gott sei Dank hat er im Keller nichts in seinen Kleidern
versteckt. Sonst würde man ihn jetzt sicher mit einer speziellen Eskorte
abführen.
»Next one.«
Gropper muss sich am Ausgang des Gebäudes einer großen Gruppe
anschließen, die schon lange auf die weitere Prozedur wartet. Als etwa hundert
Männer beisammen sind, führt ein Uniformierter sie quer über den ehemaligen
Exerzierplatz zu den weißen Kasernenblocks. Sie kommen an offenen Garagen
vorbei, in denen Hunderte von Gefangenen zusammengepfercht auf Betonböden
kampieren. Auf der Lagerstraße schlendern amerikanische Offiziere mit
Reitpeitschen und Hunden an den Leinen.
Groppers Gruppe wird aufgeteilt. Er wird mit einigen anderen in
einen der nahe liegenden Kasernenblocks gebracht. Über Steinstufen geht es
hinauf zum ersten Stock, dann durch einen langen, kahlen Gang. Tür reiht sich
an Tür, alle nummeriert. An die Rahmen sind Namenslisten geheftet. Ihr Bewacher
öffnet eine der Türen und führt sie in einen großen weiß getünchten Saal. Zu
beiden Seiten des Mittelgangs stehen dicht aneinandergedrängt einfache
Holzbetten bis nach hinten zum Fenster. Auf den Betten hocken Männer, nur mit
Hose und Hemd bekleidet. Andere liegen in voller Kleidung auf ihrem Bettzeug
und starren zur Decke. Hinten beim Fenster hat sich in einer Ecke an einem
Tisch eine Gruppe versammelt und klopft Karten. In dem Saal stinkt es nach
Fußschweiß und anderen üblen Gerüchen. Seit Wochen scheint man nicht mehr
gelüftet zu haben.
Auch die Betten sind nummeriert. Der Bewacher weist Gropper das Bett
Nr. 45 zu. Er zeigt ihm den schmalen Blechspind, in dem sich sein Bettzeug
befindet, weist ihn darauf hin, dass sich die Duschräume und Toiletten draußen
am Ende des Flures befinden, und geht.
Gropper hockt sich auf die Bettkante. Herrgott!, flucht er stumm,
ich muss den Mord an Nafziger aufklären und bin nun eingesperrt in diesem
Knast. Verfluchte Scheiße! Wie komme ich hier wieder raus?
Ein älterer, verwahrlost aussehender Mann setzt sich ihm direkt
gegenüber auf ein Bett und glotzt ihn an. Dem Aussehen nach hat er sich seit
Wochen nicht mehr rasiert und seine verfetteten Haare nicht mehr gewaschen. Er
stinkt nach Körperschweiß. Seine verklebte Wehrmachtsjacke und seine bis zu den
Knöcheln herabgelassene Knickerbockerhose verbreiten einen ekelhaften Dunst.
»Na, neu im Mittenwalder Gehege?«, grunzt er. »Schon bei der Entlausung
gewesen?«
Gropper antwortet nicht.
»Auch Waffen- SS ?«
Er hat keine Lust, sich mit diesem Kerl in ein Gespräch einzulassen.
»So fein, wie du aussiehst, warst du bei der Gestapo.«
»Am Arsch!«, fährt Gropper ihn an.
»Also doch Gestapo«, stellt der Abgewrackte fest. Obwohl sich Gropper
abwendet, grunzt er weiter: »Mach dir nichts draus, Kamerad. Du bist hier in
bester Gesellschaft. Alle hier sind SS , SD , SA , OKW , OKH , Gestapo. Nur
das Feinste vom Feinen. Und jede Menge Gebirgsjäger.«
Wütend steht Gropper auf und geht hinaus. Er braucht frische Luft.
Draußen am Eingang des Kasernenblocks lehnt er sich an die Betonwand. Vor ihm
hängt die Lagerordnung. Er will sie nicht lesen und liest sie doch. Es ist verboten, folgende Gegenstände zu besitzen: Waffen,
Munition, Explosivkörper, Messer, Scheren, Nagelfeilen, andere
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