Nazigold
Nachdem sie etwas abgekühlt waren, durfte er die frisch gebackenen,
noch warmen Kirchl kosten. Nach zwei oder drei Schmalznudeln war er meist satt.
Doch er verlangte mehr und ging damit aus der Küche. Vor dem Haus wartete schon
sein Schäferhund Arko und wedelte mit dem Schwanz. Nachdem der Hund seine
Portionen dieses Sonntagsgebäcks gierig gefressen hatte, kotzte er alles wieder
aus. Groppers Mutter kam ihm auf die Schliche, und von da an durfte er die
Auszognen nur noch in der Küche essen.
Mit der Sense mähen, das war ihm verboten. Für ihn als Kind war das
zu gefährlich. Dafür musste er das Heu wenden und zu langen Schwaden
zusammenrechen. Und er musste beim Aufladen des Heus hoch oben auf dem Wagen
stehen und es nach jeder Gabelladung barfuß niedertreten. Dabei zischten einmal
die Spitzen der Forke ganz dicht an seinem Kopf vorbei. Massel gehabt.
An einen Unfall erinnert sich Gropper besonders. Beim Sprung über
einige Bretter hinter dem Schafstall landete er mit der Ferse in einem rostigen
Nagel. Noch meterweit schleppte er das kleine Brett hinter sich her. Am Anfang
spürte er den Schmerz gar nicht. Erst als er den Nagel mit dem Brett aus seiner
Ferse herauszog, brannte die Wunde wie Feuer. Als würde man ein brennendes
Streichholz an die Haut halten.
Damals war Wilma dabei. Sie wurde käseweiß, als sie ihm half, das
rostige Ding herauszuziehen, und er gellend aufschrie. Sie hatte ihn immer vor
solchen idiotischen Sprüngen gewarnt. Doch er als Junge musste doch zeigen, was
er konnte.
Sie kam oft zu ihm auf den Hof. Sie liebte die Schweine, die Schafe,
die Kühe und die beiden Ochsen. Und er liebte ihre braunen Zöpfe und ihren
roten Mund mit den schön geschwungenen Lippen. Sie war zehn oder elf Jahre, er
ein Jahr älter.
Wenn sie kam, wusste er, dass bei ihrem Vater wieder Schlachttag war
und die Bauern ihre Kälber und Schweine in Hängern heranfuhren. Es waren auch
Kälber und Schweine von seinem Hof dabei. Wenn die brüllenden Tiere ausgeladen
wurden, konnte sie es zu Hause nicht aushalten und rannte weg. Manchmal in den
Wald oder zu ihm auf den Hof, wo sie die Tiere streichelte. Sie kehrte erst
wieder zurück, wenn alles vorbei war.
Manchmal kam sie auch einfach nur, um bei ihm zu sein. Unter ihrem
Kleid formten sich schon Ansätze ihrer Brüste. Gern schaute er heimlich darauf.
Wenn er mit ihr auf den Feldern den Mist ausfuhr oder im Wald Prügelholz für
den Ofen sammelte und dabei gespielt unabsichtlich über ihre Brust streifte,
wurde ihm ganz heiß.
Sie half ihm, seinem Schäferhund Arko Zecken aus dem Fell
herauszuziehen. Dabei hielt sie den Hund fest und umschlang ihn mit beiden
Armen, während er Arko mit den Fingernägeln die Zecken aus der Haut kniff. Er
wünschte sich, dass Wilma auch ihn mal so fest umfassen würde wie den Hund. Am
Ende hatte er nur blutige Fingerspitzen von den zerquetschten Zecken.
Auch Strasser kam oft zu ihnen. Wenn er in der Nähe Straßen
ausbessern musste, machte er bei ihnen Brotzeit. Er legte seine alte Kordmütze
auf den Küchentisch, holte aus seinem zerfransten Stoffbeutel seine Vesper und
aß seine Wurst- und Käsebrote oder sein Geselchtes und trank seine Weiße aus
der Flasche. Meistens hielt Groppers Mutter für ihn außerdem eine warme Suppe
bereit oder ein paar Stücke vom selbst gebackenen Blechkuchen.
Durch einen Kopfschuss hatte Strasser als Dreiundzwanzigjähriger im
Ersten Weltkrieg in Flandern sein linkes Auge verloren. Und da man ihm das
Glasauge schief eingesetzt hatte, schielte er. So wusste man nie, wohin er nun
schaute. Das irritierte.
Der Strasser hieß eigentlich Nepomuk Riedel. Weil er Straßenarbeiter
war, nannten ihn alle einfach nur »Strasser«. Mit seiner Schubkarre zog er die
Straßen entlang und füllte Schlaglöcher mit Sand oder Kies auf, befestigte
weggebrochene Straßenränder, richtete umgefahrene Verkehrsschilder wieder auf
und streute im Winter Split. Bei jedem Wetter war er unterwegs. Seine Haut sah
aus wie gegerbtes Leder. Weil er immer unterwegs war und mit jedem
Vorbeikommenden gern tratschte, wusste er alles, was in der Gegend geschah.
Gropper freute sich immer auf seinen Besuch. Da gab es jedes Mal
spannende Geschichten zu hören über Gaunereien, Hochzeiten und Geburten. Dabei
lachte Strasser kurz mit seiner rauen Stimme. Wenn er über
Familienstreitigkeiten, Einbrüche, Diebstähle, Brandstiftungen und Beerdigungen
berichtete, fügte er ernst und gedankenvoll hinzu: »Gschichten san des.
Gschichten. Ja,
Weitere Kostenlose Bücher