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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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verweigert sie stumm.
    »Sie sind zur Aussage verpflichtet. Wenn Sie nicht erscheinen,
werden wir Sie holen lassen.«
    Brüsk dreht sie sich endgültig um und stampft wütend die Treppe
hinauf. Gropper muss an Fannys verächtliche Bemerkung denken: »De Lucrezia, des
is a Aas.«
    Da tritt durch die Seitentür in der Holztäfelung, durch die er verschwunden
war, der CIC -Offizier heraus. Auch hier ist also
irgendwo eine Kamera, die alles filmt. Wortlos führt er Gropper über den
Kiesweg zurück zum Gartentor zu den beiden Posten, gibt ihm dort seinen Ausweis
zurück und wendet sich grußlos ab. Gropper bezweifelt, dass sie kommen wird.

4
    A
eignes Haus kriagt jeder amal.
    Eins
von vier Bretter und als Zugab an Schippl Erd.
    Am Nachmittag ist Gropper
unterwegs zu seiner Schwester Theres. Sie wohnt immer noch in ihrem Häuschen
beim Sägewerk Schmauß am Mühlbach. Hinter dem Bahnhof kürzt er den Weg ab, geht
über die Wiesen und kommt auf den Mühlenweg. Etwas entfernt sieht er die
umgebauten Gebäude des Sägewerks, die einmal der Bauernhof seiner Eltern waren.
Auf diesem Hof hat er seine Kindheit verbracht. Da steigen Erinnerungen in ihm
auf. Im Sommer der warme Sand zwischen den nackten Zehen und an der Fußsohle,
wenn er barfuß über den Mühlenweg ging. Die Weichheit, mit der sich seine Füße
in die kleinen Kuhlen und an die leichten Erhebungen des Weges schmiegten. Das
war schön zu spüren. Manchmal war der Sand sogar heiß. Aber das machte ihm
nichts aus. Doch wenn Strasser große Vertiefungen mit Kies auffüllte, das
mochte er gar nicht. Dann stachen die spitzen Steine in seine nackten
Fußsohlen.
    Normal gegangen ist er als Kind eigentlich nie. Er rannte immer.
Allein oder in der Gruppe, mit seinen Freunden. Wenn er dann über eine neue
Kiesaufschüttung rannte, schlug er sich oft die Kuppen seiner großen Zehen an
den Steinen auf. Das tat dann sehr weh, die Zehen bluteten stark, und er konnte
nur noch humpeln. Später wurde es unter dem Nagel schwarz vom verkrusteten
Blut.
    Er sieht sich als kleinen Jungen barfuß über die Wiese zum Mühlbach
laufen. Es ist früher Morgen, die Wiese ist noch nass vom Tau, und in den
Büschen zittern glitzernde Tautropfen in den Spinnweben. In der Hand hält er
ein Einweckglas, das er im Keller von der Stellage geholt hat. Er will darin
aus dem Mühlbach Kaulquappen fangen. Auf dem Rückweg zupft er Büschel von
Schafswolle vom Stacheldraht und steckt sie in die Tasche.
    Jeden Tag musste er bei der Arbeit auf dem Hof helfen, den Stall
ausmisten, frisches Stroh aufschütten, den sieben Kühen und den beiden Ochsen
neues Heu hinzustreuen, während über ihm kreischend die Schwalben aus dem
Kuhstall hinaus- und wieder hereinjagten.
    Die Kühe hatten alle einen Namen: Lise, Braune, Milli – weil sie
mehr Milch gab als die anderen – und Bunte, die ein braunes und ein blaues Auge
hatte. Die anderen Namen weiß er nicht mehr. Die beiden Ochsen hießen Max und
Moritz. Gern roch er den warmen Atem, der aus ihren breiten Nasenlöchern
strömte und nach feuchtem Gras duftete. Er ekelte sich nicht vor dem gelben
Rotz, der ihnen aus den Nasenlöchern lief und den sie sich mit ihren langen
Zungen ableckten. Ein paarmal wollte er ihn mit Heu abwischen, doch da wehrten
sie sich heftig. Es stach in ihren empfindlichen nassen Nasen. Dafür durfte er
mit seinen Fingern den weißlichen Saft aus ihren Augenwinkeln wischen, in denen
sich Fliegen und große graue Bremsen festgesaugt hatten. Das ließen sie sich gefallen.
    Nachts schlich er manchmal heimlich in den Stall. Er mochte die
dumpfe Wärme, das Schnauben und Prusten der Kühe, ihr Brummen im Schlaf. So
leise er auch den Stall betrat, die Tiere hörten ihn doch jedes Mal, richteten
sich auf und schüttelten ihre schweren Köpfe, dass ihre Ketten klirrten.
    Im Sommer sah er immer auf der Weide nach, ob sich in der alten
emaillierten Badewanne, die als Viehtränke diente, noch genügend Wasser befand.
Gemächlich wiederkäuend lagen dort die Kühe in der Sonne und dösten. Gern hätte
er sich auf ihre wuchtigen, warmen Bäuche gelegt, in denen es rumorte. Doch
jedes Mal, wenn er sich ihnen näherte, standen sie auf und glotzten ihn an mit
ihren schönen großen Augen, umrahmt von langen Wimpern.
    Hin und wieder gab es am Sonntag »Auszogne«. Die runden Teignudeln
brotzelten im Schmalz und hatten am Rand einen dicken Wulst, aber die Mitte war
hauchdünn. Wenn sie dunkelbraun und knusprig waren, wurden sie aus der Pfanne
genommen.

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