Nazigold

entlangeilen, vollgepackte Kinderwagen schieben,
schwere Rucksäcke schleppen. Darunter auch viele alte Menschen, ausgezehrt und
müde.
    »Die müssen wir alle durchfüttern. Flüchtlinge, Kommunisten, Juden.
Diese Bande. Eine Zumutung ist das. Sollen sie doch wieder dahin gehen, wo sie
hergekommen sind. Die passen einfach nicht hierher, in unsere friedliche
Heimat. Mittenwald war einmal ein begehrter internationaler Ferienort und muss
es wieder werden. So schnell wie möglich. Von den Touristen haben wir gelebt.
Aber die hier fressen uns die Haare vom Kopf. Die müssen weg.«
    Schon beim Einsteigen hat Gropper unter der samtenen Fußmatte etwas
Hartes gespürt. Er bückt sich, um nachzusehen, was das ist.
    Sattler schaut in den Rückspiegel. »Hast was verloren?«
    »Mein Taschentuch ist mir runtergefallen«, behauptet Gropper. Er ist
erschrocken, dass Sattler ihn so genau im Auge behält.
    »Hol’s hoch und steck’s ein. Ich mag so was nicht in meinem Wagen.«
    Der Wagen nimmt eine Kurve rechts, dann eine Kurve links. Gropper
schwankt auf seinem Sitz hin und her und muss mehrmals nach dem harten Ding
unter der weichen Matte greifen. Endlich hat er es in den Fingern. Es ist klein
und rund. Obwohl Sattler rasant fährt, schaut er immer wieder in den
Rückspiegel.
    »Hast du endlich deinen Schnäuzlappen?«
    »Alles in Ordnung«, sagt Gropper und steckt das runde Ding ein.
    »Na, Gott sei Dank.« Sattler ist erleichtert.
    Vor dem Revier stoppt er so abrupt, dass die Bremsen quietschen und
der Wagen wie eine Wippe erst nach vorn und dann nach hinten schaukelt. Sattler
sieht in den Rückspiegel und ruft lachend: »Da schaust, was? Ist doch ein
schönes Gefühl, so ein Kahn!«
    Kahn. Für Gropper ein Stichwort. »Warum hast du die Insel Sassau
abgesperrt und zum Naturschutzgebiet erklärt?«, will er wissen.
    Diese Frage trifft Sattler völlig unvorbereitet. Eisig blickt er
Gropper ins Gesicht. »Das geht dich einen Dreck an.« Nachdem Gropper
ausgestiegen ist, fügt er scharf hinzu: »Ich bin gespannt, wie weit du kommst,
du Kriminaler.« Dann fährt er weiter.
    Gropper greift in seine Hosentasche und holt das kleine runde Ding
hervor. Er traut seinen Augen nicht. In der Hand hält er eine Goldmünze. Er
muss mehrmals hinschauen, doch die Prägung »Deutsche Reichsbank Berlin« ist
deutlich lesbar. Es ist tatsächlich so eine Goldmünze, wie Korbi sie ihm in die
Tasche gesteckt hat.
    Wie kommt dieses Goldstück in Sattlers Buick?
    ***
    »Das ist normal«, sagt Buchner in aller Seelenruhe und kratzt
sich an seiner dunklen Warze neben der Nase.
    Gropper kann es nicht fassen. »Dass man während meiner Abwesenheit
mein Zimmer durchsucht, dass man nachts bei mir eindringt, während ich schlafe,
und in meinen Schubladen herumwühlt – das nennst du normal?«
    »Vieles ist hier normal. Auch dass unsere Räume verwanzt sind. Die
ganze Dienststelle. Von den Amerikanern. Daran musst du dich gewöhnen.«
    Gropper muss an Theres denken. Auch sie wird abgehört.
    »Wenn du nachher im Nebenzimmer deine Vernehmungen machst, denk
daran: Feind hört mit«, erklärt Buchner und hält wie ein Lauscher seine Hand
ans Ohr.
    »Wer hört mit?«
    »Das CIC .«
    »Wissen das auch die Leute, die ich vernehme?«
    »Nicht alle, aber die meisten.«
    »Dann werden sie nichts sagen.«
    »So ist es.«
    »Das ist doch unmöglich! Wie soll ich denn da ermitteln?«
    »Gar nicht.«
    »Du spinnst wohl!«
    »Musst halt woanders deine Leut befragen. Bei denen zu Haus oder auf
einer Wiese.«
    »Oder in meinem Drecksloch.«
    »Gerade da wirst du abgehört.«
    Gropper hat genug. »Ich muss da raus.«
    »Es gibt kein anderes Zimmer«, sagt Buchner ruhig und kratzt sich
wieder an seiner Warze. »Außerdem darf ich dir kein anderes zuweisen.«
    »Warum nicht?«
    »Hab’s dir schon gesagt: Entscheidung vom Sattler. Und der hat auf
Befehl der Amerikaner gehandelt.«
    »Dann haben mich also die Amis in dieses Loch gesteckt.«
    »So ist es.«
    »Vielleicht sogar das CIC ?«
    »Kann schon sein.«
    »In was für einem Land leben wir denn hier?«, platzt Gropper heraus.
    »In einem besetzten Land.«
    »In einem Detätschment«, gibt Gropper Sattlers Worte wieder.
    »Du sagst es.«
    Gropper zeigt ihm den Ausweis mit dem Foto von Krüger. »Kennst du
den?«
    »Nie gesehen.«
    »Heinrich Krüger heißt er.«
    »Nie gehört.«
    Das alte schwarze Bakelittelefon klingelt. Buchner hebt ab.
»Landpolizei Mittenwald. Buchner.«
    Gropper kann aus dem Hörer eine aufgebrachte