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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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Aber erst ab ’44, als er von der Front zurückkam und
Kasernen-Kommandeur wurde. Da haben wir gut zusammengearbeitet. War doch mein
Amt als Ortsgruppenleiter.«
    »Und auch nach ’45.«
    »Was ›nach ’45‹?«
    »Befreundet.«
    »Natürlich. Als er sein Lokal etablierte, musste ich mich doch auch
darum kümmern, als Bürgermeister.«
    »Wer hat Nafziger umgebracht?« Gropper sieht ihm direkt in die
Augen, als er das fragt. Um seinem Blick auszuweichen, dreht Sattler den Kopf
leicht zur Seite.
    »Wurde er denn umgebracht?«, fragt er, um der Frage zu entschlüpfen.
»Hat er sich nicht selbst erschossen?«
    »Red keinen Unsinn, Max!«, braust Gropper auf. »Wer war’s? Wer?«
    Sattlers Gesicht schwillt rot an, zugleich muss er sich schnäuzen.
Hastig holt er ein Tempotaschentuch hervor, wischt sich damit über das nasse
Gesicht, schnäuzt in das zerrissene Papier und wirft die Fetzen auf den Boden.
    »Wer?«, bläst Gropper in die Glut. »Wer?«
    Sattler schnappt nach Luft. »Frag das CIC «,
presst er hervor. »Oder die Lucretia vom ›Horse‹. Frag die Putzfrau, frag die
Schwarzhändler. Frag ganz Mittenwald! Aber nicht mich. Es ist sowieso eine
Schande, dass ihr die Leiche so schnell abgeholt habt nach München. Experten
der Volksgesundheit haben festgestellt, dass so ein Körper sieben Mark zwanzig
wert ist. Allein das Fett würde zur Herstellung von sieben Stück Seife reichen.
Aus dem enthaltenen Eisen könnte man einen mittelgroßen Nagel schmieden. Der
Zucker reicht für sechs Faschingskrapfen. Und mit dem Kalk könnte man einen
Kükenstall weißen. Aus dem Phosphor lassen sich zweitausendzweihundert
Zündholzköpfe herstellen. Stell dir das mal vor! Mit dem Schwefel könnte man
sogar einem Hund die Flöhe vertreiben. Und mit dem Kalium einen Schuss aus
einer Kinderkanone abfeuern. So ein Volksvermögen darf doch nicht verloren
gehen! Der tote Nafziger hätte noch was hergeben können. Aber wenn er zu uns
zurückkommt, dürfen wir ihn nicht mehr verwerten. Das ist ja heute nicht mehr
erlaubt.« Sattler hat sich in Rage geredet und muss mit einem neuen
Papiertaschentuch sein Gesicht und seinen Nacken abwischen.
    Gropper kennt diese Berechnungen. Als Gendarm musste er hin und
wieder an Sattlers Parteisitzungen teilnehmen, wo solche Kalkulationen
verkündet wurden. Er greift in seine Aktentasche, holt den Ausweis von Heinrich
Krüger hervor und zeigt Sattler das Foto. »Kennst du den?«
    »Hat das was mit deiner Ermittlung Nafziger zu tun?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Dann frag auch nicht.«
    »Kennst du den Mann?«, bohrt Gropper.
    »Schluss mit der Fragerei. Ich bin nicht bei dir im Verhör!«
    Gropper wundert sich, dass Sattler bei diesem Foto so in Wallung
gerät. Er geht auf wie eine Dampfnudel. Sein Gesicht wird wild, als würde er
gleich aus seinem Ledersessel springen und eine Rauferei anfangen. Tatsächlich
schnellt er, wie von einer Stahlfeder abgeschossen, hoch.
    »Ich muss jetzt weg«, sagt er schroff, doch dann wechselt er
plötzlich den Ton. »Martin, ich will keinen Krieg mit dir«, säuselt der
rutschige Fisch. »Wir sind doch alte Freunde. Alte Spezis sozusagen. Und das
wollen wir bleiben. Zum gegenseitigen Nutzen.«
    Dieses Friedensangebot überrascht Gropper. Ein windiger Schlawiner,
denkt er. Ein gerissener Hund.
    Sattler wird immer freundlicher: »Wohin musst du? Soll ich dich ein
Stück mitnehmen?«
    Gropper muss zum Revier, zu Buchner.
    »Gut, komm mit. Ich bring dich hin.«
    Beim Hinausgehen gibt Sattler seinem »Schatzi« noch ein paar
Anweisungen; sie lächelt und sieht ihren Chef verliebt an.
    Als sie an der Constabulary vorbeigehen, salutieren die Männer, und
Sattler grüßt lässig zurück. Vor seinem himmelblauen Buick angekommen, macht er
mit dem Kopf eine abschätzige Bewegung in Richtung der beiden Amerikaner und
sagt: »Jetzt sind mir keine Bayern mehr, sondern ein Detätschment. Aber die
Sauhund haun wir wieder raus.«
    Sattler wuchtet seine schwere Aktentasche auf den Nebensitz seines
Buicks, und Gropper muss auf dem breiten, weichen Rücksitz aus
anthrazitfarbenem Velours Platz nehmen. In so einer Luxuskutsche hat er noch
nie gesessen. Der Wagen fährt leise, kaum hörbar, und schwingt federnd in den
Kurven. Sattler ist anzusehen, wie es ihm gefällt, Gropper zu chauffieren.
Stolz und Dünkel stehen in seinem glänzenden Gesicht. Während der Fahrt durch
die Bahnhofstraße zeigt er auf die mageren, ärmlich gekleideten Menschen, die
zu beiden Seiten die Straße

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