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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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unerwünscht.« Sein
fieberhafter Eifer war allgemein bekannt und wurde vom Kreisleiter mit
Auszeichnungen belohnt.
    Und ausgerechnet der Max Sattler ist in Mittenwald nun wieder
Bürgermeister.
    »Sie haben Glück«, sagt die junge Vorzimmerdame mit braunem
Lockenhaar bis zu ihren Schultern. »Der Herr Bürgermeister ist noch da. Er muss
aber gleich weg.« Sie telefoniert in das Nebenzimmer. Dabei sieht Gropper ihre
langen, violett lackierten Fingernägel. »Ja, schön«, sagt sie in den Hörer und
legt auf. »Herr Sattler lässt bitten«, fügt sie an Gropper gewandt hinzu.
    Schwungvoll erhebt sie sich von ihrem Drehstuhl, zieht ihre weiße
Rüschenbluse zur Hüfte herab, wobei ihr spitzer Busen noch deutlicher
hervortritt, und zupft ihren kurzen schwarzen Rock zurecht. Sie stöckelt zur
Tür ihres Chefs, klopft an den nussbaumfarbenen Türrahmen und öffnet die
schwarze Polstertür. »Der Herr Oberkommissar Gropper vom Polizeipräsidium München.«
    »Nicht Ober-«, korrigiert Gropper schnell, »nur Kommissar.«
    Die Adrette lächelt verlegen. Innen glaubt Gropper, ein Grunzen zu
hören. Sie tritt zur Seite und macht ihm den Weg ins Allerheiligste frei. Dabei
muss er dicht an ihr vorbei und riecht den süßlichen Duft ihres Parfums. Wieder
lächelt sie ihn an, dann ist die Polstertür hinter ihm auch schon wieder
geschlossen.
    Im teuer eingerichteten Büro sieht Gropper auf zwei breiten
Schreibtischen vier Schreibmaschinen stehen, alte, hohe Modelle von Adler und
Mercedes. Max Sattler, ein kleiner Dicker Mitte fünfzig, legt seine Zigarre in
den klobigen Ascher aus Glas, wuchtet sich aus seinem Ledersessel und breitet
einladend die Arme aus. »Willkommen in Mittenwald, mein Lieber!«, tönt er.
    Wie ein Gummiball kommt er auf Gropper zugehüpft. Sein runder Kopf
mit den listigen Augen schwitzt so sehr, dass seine kurzen Haare am Hinterkopf
kleben. Überschwänglich reicht er Gropper seine weiche, verschwitzte Hand. »Wie
schön, dich nach so langer Zeit wiederzusehen! Wie war’s denn in der Schweiz?«
Er wartet Groppers Antwort nicht ab, sondern fügt schnell hinzu: »Hier war es
schrecklich. Die Nazis, grauenhaft!« Dabei wischt er sich mit einem Taschentuch
den Schweiß aus dem Nacken.
    Sattler hat immer schon geschwitzt. Gropper kennt ihn nicht anders.
Schon als Gropper Gendarm wurde, glänzte das fette Gesicht des NSDAP -Funktionärs im Schweiß und vor Begeisterung für
die neue Zeit.
    »Die Nazis, grauenhaft!«, wiederholt er und betont: »Du hast ja nur
den Anfang erlebt. Gott sei Dank ist jetzt alles vorbei«, setzt er hinzu.
    Gropper nickt und betrachtet die Geigen aller Größen, die an den
Wänden hängen. Mit ausholender Geste weist Sattler darauf und erklärt: »Hab ich
alle geschenkt bekommen. Ich kann zwar nicht Geige spielen, bin auch völlig
unmusikalisch, muss sie aber als Bürgermeister natürlich alle aufhängen. Ich
muss doch zeigen, dass wir als Stadt des Geigenbaus weltberühmt sind. Aber
jetzt setz dich erst mal. Möchtest du einen Cognac?«
    Gropper lehnt ab. »Ich bin im Dienst.«
    »Quatsch. Ich auch.« Schon drückt Sattler auf eine große vergoldete
Klingelhaube auf seinem Schreibtisch. Die Polstertür öffnet sich, und die
hübsche Fee erscheint. »Schatzi, bring uns den Cognac.«
    Bevor Gropper etwas einwenden kann, stehen zwei große, gefüllte
Schwenker auf der Glasplatte des Nussbaumtisches, und mit einem Husch
verschwindet die Erscheinung wieder.
    Sattler grinst schmalzig und hebt den Schwenker. Dabei bemerkt
Gropper an einem seiner Weißwurstfinger einen protzigen Ring, der sehr teuer
aussieht. Sie stoßen an, die Gläser klingen hell wie Glöckchen, und Sattler
trinkt mit einem Zug sein Glas fast leer.
    »Ich muss gleich weg. Draußen steht schon mein Wagen bereit. Aber
Zeit für einen Schluck mit dir hab ich immer.«
    »Dann ist der Buick vor der Tür dein Wagen?«
    »Natürlich.«
    »Natürlich«, wiederholt Gropper.
    »Den hab ich von den Amis geschenkt bekommen. Als Anerkennung für
meine Dienste.«
    Als Ortsgruppenleiter, hat Gropper schon auf den Lippen, verkneift
sich aber die Bemerkung. »Vorige Woche geschenkt bekommen?«, fragt er
stattdessen.
    »Freilich.«
    »Davor hat ihn der Nafziger gefahren«, sagt Gropper. »Bis zu seiner
Ermordung.«
    Sattler hat plötzlich einen fuchtigen Blick. »Ist das ein Vorwurf?«
    »Nur eine Feststellung.«
    »Zerstöre nicht unsere Freundschaft mit so giftigen Bemerkungen. Da
kann ich sehr ungemütlich werden«, droht

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