Nazigold
erreicht, blitzte und
krachte es ringsumher und schüttete wie aus Kübeln. Der Stadl bot aber außen
keinen Schutz, und die Einfahrt war verriegelt. Mit den Füßen versuchten sie,
einige Wandbretter einzutreten. Doch die waren zu dick. Da kletterten sie über
einen neben dem Stadl stehenden Leiterwagen in eine Öffnung und ließen sich
drinnen auf die trockenen Heuhaufen fallen. Nun waren sie zwar im Trocknen,
aber wie kamen sie wieder heraus? Das Tor ließ sich auch von innen nicht
öffnen. Wenn jetzt der Blitz in diesen Stadl einschlägt, dachten sie
erschrocken, das Heu Feuer fängt und der Holzstadl abbrennt … Sie säßen da drin
fest und kämen nicht mehr raus! Es war ja schon oft passiert, dass solche Stadl
durch Blitzeinschlag abbrannten. Jeder von ihnen dachte daran, aber keiner
sprach es aus. Draußen blitzte und krachte es in einem fort. Manchmal etwas
entfernt, manchmal aber erschreckend nah. Ihn, Theres und auch seine Eltern
schüttelte es vor Angst. Seine Mutter bekreuzigte sich immer wieder und
murmelte ein Vaterunser nach dem anderen. Erst später zu Hause am Küchentisch
gaben sie zu, was für eine Angst sie gehabt hatten, und gestanden sich ein,
dass es verflucht leichtsinnig gewesen war, in eine solche Falle zu flüchten.
»Der Herrgott hat uns beschützt«, tröstete sich seine Mutter.
»Blödsinn«, konterte sein Vater. »Wir habn einfach Massel ghabt.«
Nach und nach entfernt sich das Gewitter, und man hört nur noch
entferntes Grollen. Gropper kann trotzdem nicht einschlafen. Immer wieder muss
er an die bevorstehende Festnahme von Lucretia denken. Es fuchst ihn, dass er
als Kommissar sie nicht festnehmen darf. Dazu ist nur der ortsansässige
Polizist Buchner berechtigt, und das auch nur mit einem Haftbefehl des
Garmischer Richters. Aber so wie Buchner das Gesicht verzogen hat, kann er sich
jetzt schon ausmalen, was der alte Gendarm alles vorschieben wird, um sich vor
der Verhaftung zu drücken. Sicher fürchtet er den Ärger mit dem CIC .
Morgen wird er sehen, ob sich Buchner den Haftbefehl aus Garmisch
beschafft hat.
7
Der Tod legt se net schlafn.
Als Gropper am nächsten Morgen die Wachstube betritt, ist kein
Buchner da. Anwesend sind nur die beiden jungen und noch völlig unerfahrenen
Anwärter Sebastian Senger und Axel Bergmoser.
»Wo ist Buchner?«
»Der hat sich dienstfrei genommen«, sagt Senger.
»Wir haben mit ihm die Schicht getauscht«, ergänzt Bergmoser.
Gerade jetzt ist Buchner nicht da, wenn Lucretia verhaftet werden
soll. Das ärgert Gropper. Für ihn steht fest: Buchner kneift. So ein Feigling.
Hat Buchner tatsächlich Angst vor dem CIC ? Oder
vor Nafzigers gerissenen Geschäftsfreunden, die ihre Machenschaften jetzt mit
Lucretia auskaspern? Fürchtet er, sie könnten sich an ihm rächen, weil er
Handschellen um die zarten Handgelenke ihrer rumänischen Prinzessin legt?
Während Gropper hin und her überlegt, erzählen ihm Senger und
Bergmoser von dem Unwetter in der vergangenen Nacht. Sie berichten über
entwurzelte Bäume, über davongeflogene Dachplatten und eingestürzte Baugerüste.
Sie erzählen, dass es im Gebirge ganz wild zugegangen ist, dass in der
Leutaschklamm die Hölle los ist und die Leutasch und die Isar immer noch tosen
und schäumen. Jeder weiß mehr als der andere, sie fallen sich gegenseitig ins
Wort und übertreffen sich wie bei einem Wettbewerb mit ihren Hiobsbotschaften.
Am Schluss sagen sie: »Nebenan sitzt ein Mann, der hat eine Leich gefunden.«
»Ein Opfer des Unwetters?«, fragt Gropper.
»Das wissen wir nicht. Wir wollten erst Sie kommen lassen.«
»Warum habt ihr mir das nicht gleich gesagt?«
»Jamei, wenn die Leich sowieso schon tot ist, pressiert’s doch nicht
mehr so.«
Schon in der Frühe eine Leiche, denkt Gropper. Er hat noch nicht
einmal richtig gefrühstückt. Er geht in den Nebenraum. Am Tisch sitzt ein Mann,
das Gesicht in die Hände gestützt. Seine verfilzte Schirmmütze liegt auf dem
Tisch. Als Gropper näher tritt, schaut er verstört auf.
Es ist ein alter Mann mit einem buschigen Schnauzbart und kräftigen
Augenbrauen. Sein Gesicht hat etwas Zotteliges, gekleidet ist er in eine
abgerissene Schreinerkluft. Seine Beine stecken in hohen Gummistiefeln. Neben
ihm liegt Angelzeug auf dem Boden.
Gropper setzt sich zu ihm. »Sie haben eine Leiche gefunden?«
Der Alte nickt. »Eigentlich war’s in der Früh schlecht zum Angeln
nach dem Gewitter. Ich hab mir lang überlegt, ob ich rausfahr«, stammelt er.
»Aber dann
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