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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kohl
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Seitenflügels der
Schule. Gropper war früher schon ein paarmal hier, als Schüler, wenn er bei ihm
Nachhilfestunden im Rechnen nehmen musste, als Gelegenheitsarbeiter, wenn er
sich bei ihm über einen alten Maler erkundigte, für dessen Lüftlmalerei er die
Gerüste baute, und als Gendarm, wenn einer von Maiers Zöglingen mal wieder was
ausgefressen hatte.
    Maier öffnet die Tür zu seinem früheren Arbeitszimmer. »Hier kannst
du übernachten, solang du willst.«
    Es ist ein sympathischer heller Raum mit einer durchgelegenen
Schlafcouch, einem Schrank und einem ausladenden Schreibtisch. Hier hat Maier
früher auch seine Schönschrift- und Diktathefte korrigiert und so manches rot
angestrichen.
    »Wo ist denn deine Frau?«, erkundigt sich Gropper.
    »Die Geli ist ’44 an einer Lungenentzündung gestorben.«
    Gropper ist bestürzt, das zu hören. Er hat Angelika gut gekannt und
spricht ihm sein Beileid aus.
    »Hier im Krankenhaus. Hat ja damals kaum Medikamente gegeben«, fügt
Maier bitter hinzu und versinkt einen Moment in trauriger Erinnerung. Dann
strafft er den Rücken. »Wenn du Luise anrufen möchtest, bedien dich.« Er deutet
auf sein altes Bakelittelefon mit der großen Wählscheibe, das auf dem
Schreibtisch steht. »Grüß sie von mir«, sagt er im Hinausgehen.
    Gropper stellt seinen Koffer ab, wirft seinen Trenchcoat über die
Couch und ruft Luise an. Er wünscht ihr ein schönes Pfingstfest, darf ihr aber
nichts von den Schüssen auf ihn sagen, nichts von seiner Festnahme und von der
Giftdrohung und was sonst noch für unangenehme Dinge passiert sind. Sie würde
sich nur um ihn sorgen.
    »Wie kommst du denn voran?«, fragt Luise.
    »Na ja, der Kreis wird enger«, schwindelt er. »Bald schnappt die
Falle zu.«
    »Die Falle, in der du steckst?«, argwöhnt sie.
    Wieder ist er verblüfft über ihre hellseherischen Fähigkeiten.
Offenbar sind seine angedeuteten Erfolge nicht sehr überzeugend am anderen Ende
der Leitung angekommen.
    »Bist du in Gefahr?«, fragt sie ängstlich.
    Er will sie dadurch beruhigen, dass er nun bei seinem alten Lehrer
wohnt, und grüßt sie von ihm.
    »Bist du nicht mehr im ›Karwendelblick‹? Also doch Molesten.«
    Er möchte die Gefährdung herunterspielen, sie glaubt ihm aber nicht.
    Als Gropper die Küche betritt, hat sein Lehrer ein üppiges Frühstück
aufgetischt: Brot, Semmeln, Salzbrezen, Butter, Wurst, Schinken, Käse, Honig.
    Gropper staunt über die Vielfalt. Als Maier in Zeiten des Muckefucks
auch noch Kaffeebohnen in die elektrische Mühle schüttet, in der sie krachend
zermahlen werden, und Gropper beim Aufgießen der würzige Duft des Bohnenkaffees
in die Nase steigt, fragt er: »Woher hast du das alles?«
    »Wirst nachher schon sehen«, orakelt Maier. »Greif erst mal zu.«
    Durch die nur einen Spaltbreit geöffnete Küchentür kommt mit
erhobenem Schwanz eine grau-schwarz gestreifte Katze hereinstolziert.
    »Na, Betti, wieder da? Wo hast du dich denn die Nacht
herumgetrieben?«
    Sie streicht um den Tisch herum, bleibt vor dem Stuhl stehen, auf
dem Gropper sitzt, sieht zu ihm hinauf und maunzt. Er sieht ihre schönen grauen
Augen.
    »Gib Ruh, Babette«, ermahnt Maier die Katze, und fügt an Gropper
gewandt hinzu: »Das ist nämlich ihr Stuhl, auf dem sie gern sitzt.«
    »Soll ich mich woanders hinsetzen?«, fragt Gropper und will ihr
Platz machen.
    »Kommt gar nicht in Frage«, sagt Maier und weist in eine Ecke der
Küche. »In dein Körbchen, Babette!«
    Miauend zieht die Katze ab zu ihrem Körbchen und rollt sich auf dem
Kissen ein.
    Während sie ausgiebig frühstücken, erzählt Gropper, wie es ihm und
Luise in St. Gallen ergangen ist, was Luise nun macht und wie er so
schnell Kommissar geworden ist.
    »Es war gut, dass ihr weggegangen seid«, sagt Maier und schenkt ihm
von dem kräftigen Kaffee nach. »Wer weiß, was sie mit dir gemacht hätten, wenn
du dich geweigert hättest, in die Gestapo einzutreten. Ich war ja ’39 mit
meinen fünfundsechzig für ihre Schweinereien zu alt.« Er schmunzelt. »Ist doch
was wert, wenn man alt ist. Und am Schluss dann für den Volkssturm erst recht.
Selbst wenn sie mich dafür noch geholt hätten, hätt ich mich blöd gestellt und
so getan, als könnte ich nicht mit einer Panzerfaust umgehen. Nie hätt ich so
ein Ding in die Hand genommen. Und wenn sie mich dazu gezwungen hätten, hätte
ich das Ding beim Einmarsch der Amis weggeworfen und wäre davongelaufen.«
    »Der Sattler hat dich aber groß gelobt, wie tapfer du

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