Nazigold
München,
nicht von Ihnen«, kontert Gropper. »Das ist eine Klarstellung.«
Bevor Thompson ihn hinauswirft, schießt Gropper noch einen Pfeil
gegen ihn ab. »Wohin haben Sie das Nazigold geschafft? In die USA ?«
»Ich kann auch Sie zum Schweigen bringen.«
Für einen Moment herrscht Stille. Hat Thompson das eben wirklich
gesagt? Gropper sieht ihn lauernd an. »So wie den Nafziger?«
»Noch ein Wort, und Sie kommen hier nicht mehr raus!«
»Und Sie landen vor Ihrem Militärgericht. Wegen Beihilfe zum Mord an
Nafziger. Zumindest wegen Strafvereitelung.«
Thompson, kalkweiß im Gesicht und mit Schweiß auf der Stirn, wirft
Gropper den Dienstausweis hin und drückt auf einen Knopf seiner Telefonanlage.
Kurz darauf tritt ein Uniformierter in den Raum. Mit einer Handbewegung gibt
Thompson ihm zu verstehen: Weg mit ihm.
Als Gropper bei den Wachen vor dem Gartentor abgeliefert wird, ist
ihm klar: Der CIC -Chef hat Nafziger erschießen
lassen. Er hat ihn zum Schweigen gebracht. Nafziger durfte nicht ausplaudern,
dass er Thompson die Verstecke verraten und dieser das Gold ausgeräumt hatte.
Er durfte nicht ausplaudern, dass er als Dank dafür freigelassen wurde und von
Thompson die Lizenz für seine Schwarzhändlerbude erhielt, in der auch die CIC -Leute ihre Geschäfte betrieben. Doch warum ließ er
ihn erst nach einem Jahr beseitigen? Warum so spät? Was ist in diesem Jahr
geschehen?
Als Erstes muss Gropper zum Polizeirevier. Er muss Buchner über
die Schüsse auf ihn berichten und ihm gestehen, dass sein DKW bei Einsiedel im Wald steht.
An einer Hauswand ist ein älterer Mann mit einem Motorrad
beschäftigt. Irgendwie kommt er ihm bekannt vor. Als Gropper stehen bleibt,
wendet sich der Alte um und schaut ihn an. Er trägt einen alten, zerschlissenen
braunen Kordanzug, ein grauer Vollbart umrahmt struppig sein Gesicht, und ein
Filzhut mit breiter Krempe und ausgefranster Kordel sitzt schief auf seinem
Kopf. Gropper kennt diesen alten Filzhut, weiß aber nicht, an wen er ihn
erinnert. Unwillkürlich tritt er näher an den alten Mann heran und sieht seine
graublauen Augen. Er ist sicher, er kennt ihn. Aber wer ist es?
»Ja grüß dich Gott, Martl«, sagt der Mann freundlich.
Seine Stimme, diese gutturale Stimme mit dem leicht rollenden R – jetzt weiß er, wer da vor ihm steht: sein alter Lehrer Maier, Karl Maier, den
er in seiner Schulzeit als Hauptlehrer durch fast alle Klassen hindurch hatte!
Er muss jetzt etwa siebzig Jahre alt sein.
»Lehrer Maier«, ruft Gropper aus, so laut, dass einige der
Vorübergehenden sich irritiert umdrehen.
»Ja freilich, kennst mich jetzt?«
Herzlich schütteln sie sich die Hände. Maier hat immer noch
denselben starken Händedruck wie damals.
»Ja Kruzinesn, da legst dich nieder! Der Martl ist plötzlich wieder
da.«
Seinen alten Lehrer wiederzusehen, ist für Gropper das erste
freudige Erlebnis an diesem Tag. Seine Erschöpfung durch den Anstieg auf den
Steinriegel, sein Schock angesichts der Schüsse auf ihn, sein Zorn wegen seiner
Festnahme, seine Wut gegen Thompson – alles fällt mit einem Mal von ihm ab, als
er seinen Lehrer wiedersieht, den er sehr mochte und bewunderte. Gropper zeigt
auf das Motorrad. »Ist das noch deine alte Triumph?«
»Freilich. Baujahr ’37. Saust immer noch flott. Bleibst jetzt hier
bei uns?«
Gropper erzählt ihm vom Grund seines Aufenthaltes.
»Ja, der Nafziger«, sagt Maier. »Den hat der Teufel geholt. Jetzt
bist also hinter dem Teufel her. Da hast du hier viel zu tun.«
Gropper erzählt ihm von seinem schäbigen Pensionszimmer.
»Dann zieh doch zu mir. Kannst bei mir übernachten. In meiner alten
Schulwohnung.«
Er dankt ihm für sein Angebot. »Kann ich schon morgen kommen?«
»Wann du willst.«
»Ich muss erst das Auto vom Buchner von Einsiedl zurückbringen.«
Maier fragt völlig verdutzt: »Was? Der Buchner hat dir seine
Lieblingskarre geliehen? So kenn ich den gar nicht. Da war er aber extrem
generös.« Er überlegt einen Moment und fügt hinzu: »Weißt was, setz dich auf
den Sozius, ich fahr dich hin, und du holst das Auterl ab.«
Beide sehen auf die Uhr, es ist inzwischen später Nachmittag. Vier-,
fünfmal muss Maier das Pedal schwungvoll niedertreten, bis der Motor der alten
Triumph anspringt.
»Aber fahr nicht zu schnell«, sagt Gropper.
»Hast Angst?«
»Du bist schon damals zu schnell durch den Ort gefahren.«
»Und hab von dir eine Strafe bekommen.«
»Das hast du nicht vergessen?«
Maier dreht am Griff
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