Nazigold
kurz das Gas auf.
»Wenn man vom Gendarm, der ein ehemaliger Schüler ist, bestraft
wird, das vergisst man nicht.«
»Tut mir leid, ich musste das damals tun. Hab dir auch nur die
geringste Geldbuße aufgebrummt.«
»Die ich nie bezahlt hab.«
»Hab ich bemerkt. Und es dabei belassen. Obwohl ich als Schüler von
dir manchmal Tatzen bekommen hab.«
»Das hast also du nicht vergessen.« Maier lacht.
Gropper lacht ebenfalls. »Wenn man von seinem Lieblingslehrer Tatzen
bekommt, das vergisst man nicht.«
»Los, hock auf.«
Maier stülpt seine große Pilotenbrille übers Gesicht, wobei ein
Riemen seinen Filzhut festklemmt, und Gropper schwingt sich auf den harten
Sozius, der nur aus Eisenstangen besteht. Maier gibt Gas, und los knattern sie
durch den Ort, eine dunkle Abgasfahne hinter sich herziehend. Eng an Maiers
Rücken gepresst, schlingt Gropper seine Arme um dessen Bauch.
Nach knapp einer halben Stunde erreichen sie vor Einsiedl die
Abbiegung in den Wald.
Mit Vollgas treibt Maier seine alte Triumph über den Forstweg die
Steigung hoch, holpert über die dicken Wurzeln und braust durch die Lachen
hindurch, dass es nur so spritzt.
Der DKW steht immer noch in der
schrägen Nische unter den Buchen. Steif steigt Gropper vom Sozius. Der Hintern
tut ihm weh.
Er muss eine lange Strecke rückwärts fahren, bis er auf dem Forstweg
eine Ausbuchtung findet, um den Wagen wenden zu können. Dann geht es zurück
nach Mittenwald, Maier mit seiner Knattermaschine voran, Gropper im Auto
hinterher. Bei der Schule verabschieden sie sich. Gropper fährt weiter und
stellt den DKW vor dem Polizeirevier ab.
Buchner ist nicht da. Dienst machen nur die beiden jungen Bergmoser
und Senger. Sie reichen ihm ein geschlossenes Kuvert, das eben abgegeben wurde,
adressiert an Ferdinand Buchner. Auf der Rückseite des Umschlages liest
Gropper: » CIC Detachment Mittenwald – Commanding
Officer«. Obwohl Gropper weiß, dass er nicht berechtigt ist, einen für Buchner
persönlich bestimmten Umschlag zu öffnen, löst er vorsichtig den Verschluss,
ohne das Papier einzureißen. Natürlich wird Buchner erkennen, dass er den Brief
geöffnet hat. Aber das ist ihm egal, auch wenn es Krach mit ihm gibt.
Er faltet das Blatt auseinander. In dem Schreiben teilt Thompson dem
Polizeihauptmeister Buchner mit, dass er als Chef des Geheimdienstes ihm
verbietet, die unter dem Schutz des CIC stehende
Madam Lucretia festzunehmen.
Gropper flucht. Das war nach Thompsons Warnung zu erwarten. Eine
entscheidende Zeugin und vielleicht sogar Mittäterin geht ihm jetzt verloren.
Aber was soll er machen? Das CIC hat
Verfügungsgewalt. Und Buchner wird sich über diese Amtshilfe der Amerikaner
freuen. Er ist nun befreit von seinem Dilemma, aus dem er sich von Anfang an
herausschleichen wollte.
In seinem provisorischen Vernehmungsraum lässt sich Gropper an
seinem wackeligen Schreibtisch nieder und stützt den Kopf in die Hände. Ihm
brummt der Schädel. Nach dieser Mitteilung muss er erst mal Bilanz ziehen, wer
ihm im Mordfall Nafziger als Verdächtiger noch bleibt.
Thompson selbst kann er wegen Beihilfe nicht belangen, obwohl er ihn
nach seiner Äußerung vorhin stark verdächtigt, irgendwie mitgeholfen zu haben,
Nafziger verstummen zu lassen. Ihm oder einem seiner Männer könnten die glatten
Schuhsohlenabdrücke gehören. Bleiben neben den Stöckelabsätzen, die er nach wie
vor Lucretia zuordnet, zwei Paar Stiefel von Wehrmachtsangehörigen, eventuell
von ehemaligen Gebirgsjägern. Berger scheidet aus. Schon seit über einem Jahr
tot. Feigl und Kilian kämen in Frage. Neben Berger und Nafziger waren sie die
Einzigen, die noch von den Gruben wussten. Sie können es aber nicht gewesen
sein. Sie wurden erst zwei Tage nach Nafzigers Ermordung entlassen. Wenn es
stimmt, was sie sagten. Am Dienstag wird er es in der Lagerverwaltung erfahren,
vorausgesetzt, er kann sich von irgendjemandem diese Sondererlaubnis beschaffen.
Dann wird man ja sehen, ob sie gelogen haben. Kann Kilian mit dem linken Arm
überhaupt so zielgenau schießen? Gropper kann sich das nicht vorstellen. Bleibt
noch der Feigl. Es gibt aber noch ein paar hundert andere Gebirgsschützen.
Gropper ist plötzlich unendlich müde.
Sorgfältig faltet er Thompsons Schreiben zusammen, schiebt es in das
Kuvert und verschließt es, so gut es geht.
Dann überlegt er, ob er über die Pfingstfeiertage nach Hause fahren
soll. Im Moment sieht er keine Notwendigkeit hierzubleiben. So entschließt er
sich, morgen
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