Nea - James erzaehlt
kaum sein – oder etwa doch?
Wir eilten bis in den zweiten Stock hinauf und dort bis zum Ende eines schmalen Flurs, wo Peter stehen blieb und kurz Luft holte, bevor er langsam eine Tür öffnete. Mit krauser Stirn und vorsichtigen Schritten folgte ich ihm.
Was sich vor mir auftat, war nicht im Ansatz das, womit ich gerechnet hatte. Am Kopfende des Raums saßen Linnea und Mike in langen Roben auf einem Podium, vor dem ein hölzernes Pult stand. Einige Meter vor ihnen konnte ich einen Strafbock und andere SM-Instrumente erkennen, die an der Wand befestigt waren.
Im Zentrum des Raums befand sich eine freie Fläche, wo auf dem Boden eine nackte Frau mit hinter dem Rücken gefesselten Händen kniete. Neben ihr stand ein vollständig angezogener Mann, der eine Kette in der Hand hielt, die zu dem Lederhalsband führte, das die Nackte trug.
Beide hatten mir den Rücken zugewandt, doch angesichts des kurzen, schwarzen Bobs der Frau war ich mir sofort sicher, dass es sich bei ihr um Fiona handeln musste. Den Kerl neben ihr erkannte ich von hinten noch nicht, doch irgendetwas an ihm kam mir bekannt vor. Was geschah hier – und warum fühlte ich mich so unangenehm an einen Gerichtssaal erinnert?
Nun merkte ich, dass Peter und ich beobachtet wurden – nicht nur von Linnea und Mike, die regungslos den Raum überblickten, sondern auch von etwa dreißig Augenpaaren, die den Zuschauern gehörten, die auf Stühlen hinter dem Geschehen saßen. Schnell schlüpften wir in eine der Stuhlreihen und zogen die Köpfe ein. Offensichtlich waren wir die Letzten, die gekommen waren.
Alles hier ergab in diesem Moment überhaupt keinen Sinn für mich; mein Kopf war überladen mit Fragen, auf die ich keine Antworten finden konnte. Ich lehnte mich zu Peter und flüsterte: „Was ist das?“
Doch bevor er antworten konnte, stand Linnea auf und erhob streng das Wort: „Hiermit tritt das Sonderstrafgericht offiziell in Kraft.“
Das Murmeln, das leise durch den Raum schwebte, verstummte augenblicklich und ich fühlte, wie ein heißer Stich durch meinen Körper fuhr. Strafgericht?
„Angeklagt ist Hausdienerin Fiona“, verkündete Mike nun mit polternder Stimme, während er auf ein Blatt Papier vor sich sah. „Ankläger ist Hausdiener Daniel.“
Das Blut wich aus meinem Gesicht. Seitdem ich wusste, dass Daniel Sophies kleiner Privatdetektiv im Nea war, traute ich ihm nicht mehr ansatzweise über den Weg und hatte mir größte Mühe gegeben, ihn zu vermeiden, ohne dass es allzu auffällig war – warum war er der Ankläger von Fiona?
„Du musst wirklich an deiner Wortwahl arbeiten!“, herrschte ich Peter leise an. „Du klangst, als würde Fiona in Lebensgefahr schweben!“ Ich wusste nicht, wohin mit meiner Irritation und sie drängte sich in Form von Wut aus mir heraus.
Sofort tat es mir leid, dass ich meine Sorgen an Peter ausließ; das würde mir wohl kaum dabei helfen, meine langsam aufkommende Panik in den Griff zu bekommen. Schwach schüttelte ich den Kopf. „Sorry, Peter, du kannst nichts dafür.“
Verständnisvoll legte er seine Hand auf meine Schulter und schwieg.
Linnea sprach weiter: „Das Tribunal wird lediglich in Ausnahmefällen und besonders schweren Vergehen einberufen, weil wir der Meinung sind, dass Verfehlungen grundsätzlich im intimen Kreis zu bestrafen sind. Da hier allerdings ein Vergehen gegen die administrative Ebene des Nea vorliegt, halten wir ein Strafgericht für die gerechtfertigte Herangehensweise.“
Sie sprach ruhig und klar, war nüchtern wie eine Richterin.
„Beide Parteien werden den Fall ohne Unterbrechung der anderen Partei vorbringen. Anschließend entscheidet das Gericht, ob Schuldigkeit vorliegt und – wenn dies der Fall sein sollte – welche Strafe angemessen ist und wie diese ausgeführt werden soll.“
Durch Linneas juristisch gefärbtes Vokabular konnte ich nun ein Bild erkennen, das mir überhaupt nicht gefiel.
„Wie üblich beginnt der Kläger, dann folgt die Verteidigung der Angeklagten. Hiermit hat Hausdiener Daniel das Wort.“
Daniel deutete eine Verbeugung an und trat einen Schritt auf Linnea und Mike zu. Die Kette an Fionas Halsband war dermaßen kurz, dass sie hinter ihm her kriechen musste – ich war mir sicher, dass er sich dieser Tatsache genau bewusst war und absichtlich diese nutzlosen paar Zentimeter nach vorn gegangen war. Diese Entscheidung machte ihn mir nicht gerade sympathischer.
„Sehr verehrtes Gericht, sehr verehrte Zeugen und Zuschauer, die
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