Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
kleinen, keilförmigen Transporter, der gerade vom Prador-Schiff herüberkam. »Volles Fesselgeschirr. Vergessen Sie eins nicht: Ein Hooper dieses Alters ist etwa doppelt so stark wie Sie und wesentlich zäher. Halten Sie sich bereit, ihm eine Betäubungsdosis der Stufe sechs zu verpassen, falls er auch nur zittert.«
Svan stieg aufs Mitteldeck herunter und überwachte die Montage des Keramal-Fesselgeschirrs an Drum. Mit einem Gefühl der Melancholie verfolgte Frisk den Vorgang. Welche Ironie, dass sie vor so langer Zeit genau diesen Mann vor der Entkernung bewahrt hatte, um ihn zu ihrem persönlichen Leibsklaven zu machen – und um jetzt das zu tun? Sie starrte noch einen Augenblick länger hinunter, holte dann ein Tuch aus der Tasche und wischte sich damit das bisschen Blut von der Wange. Als das Tuch mit dem Blut in Kontakt kam, zuckte Frisk krampfhaft und ließ die Impulspistole aufs Deck fallen. Svan blickte zu ihr herauf, aber Frisk wich rasch aus ihrem Blickfeld zurück, zog eine Spritze aus dem Gürtel und drückte sie sich an den Hals. Das Zittern hörte wenig später auf, aber das Gefühl der Entfremdung – nicht genau zu wissen, wer sie war oder warum sie war – hielt sich hartnäckig. Ein übler Nervenkonflikt. Als sie sich wenigstens teilweise wieder unter Kontrolle hatte, trat Frisk erneut an die Reling.
Die Sprecherin und zwei Wach-Leermenschen kamen an Bord, um Drum abzuholen.
»Wir hatten früher schon Probleme bei der Entkernung alter Hooper-Menschen«, sagte die Sprecherin und starrte zu Frisk hinauf.
»Sie müssen einfach so rasch vorgehen wie nur möglich und dürfen sich dabei über äußere Verletzungen keine Gedanken machen«, informierte Frisk den Prador an Bord seines Schiffes. »Machen Sie sich auch nicht die Mühe, das Großhirn zu entfernen; schneiden Sie es einfach auf und implantieren Sie eine Sklavenspinne.«
»Ja«, sagte die Sprecherin.
Sie nicken niemals und bewegen niemals die Hand, stellte Frisk zum vielleicht tausendsten Mal fest.
»Oh, und machen Sie sich keine Gedanken wegen seiner Wunden. Hooper heilen sehr schnell«, setzte sie hinzu, während die Leermenschen den Kapitän über die Bordwand zerrten. Dann drückte sie sich eine Hand auf den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken.
Ein Wind aus dem Osten wurde immer kräftiger und türmte die Wolken zu grauen Bahnen auf, die sich über das Jade-Antlitz des Himmels zogen. Mit gelegentlichen Verwünschungen und großer Geschicklichkeit lenkten Windtäuscher und Boris die Treader aus der Bucht, umrundeten die Insel und fuhren dann vor dem Wind, der ein Sturm zu werden drohte. Der Vormittag war vorüber, ehe die Insel außer Sicht verschwand, und ein hartnäckiger Nieselregen überdeckte Windtäuscher mit feuchtem Glanz und durchnässte die Mannschaft. Boris stand in langem Mantel aus gewachster Baumwolle und Südwester am Ruder und brummelte vor sich hin, als die übrige Besatzung unter Deck Schutz suchte. Windtäuscher hielt den Kopf hoch und genoss die Feuchtigkeit und die Kalte.
Ambel kam heran und stand kurze Zeit neben Boris, ehe er sich ihm zuwandte. »Ich übernehme in ein paar Stunden, aber ich schicke Peck vorher schon mit etwas Rum-Tee herauf«, sagte er.
»Ave, Kapitän«, sagte Boris, der lange einsame Wachen am Ruder durchaus gewöhnt war.
Ambel blieb noch einen unbehaglichen weiteren Augenblick dort stehen und fragte dann: »Hast du Sprine bei dir, Boris?«
Boris bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, ehe er antwortete: »Hab nix dabei, Käpten. Alles Mögliche kann passieren, wo ich es gebrauchen könnte, und vermutlich würde ich gar nicht die Chance dazu kriegen«, sagte er.
Ambel nickte und ging zur Leiter.
»Versuch’s mal bei Peck«, empfahl ihm Boris. »Wenn jemand welches dabeihat, dann er.«
Ambel nickte erneut, stieg hinunter, schwang sich am Fuß der Treppe herum und sprang vor die Tür zu seiner Kabine. Sobald er darin war, öffnete er sofort die Seekiste. Er versuchte nicht, den Kasten mit dem Kopf des Skinners zu öffnen – sondern starrte ihn nur eine Zeit lang an, ehe er die Truhe wieder schloss und die Kabine verließ. Er stapfte übers Deck, öffnete die Luke zum Mannschaftsquartier und stieg hindurch. Beim Hinunterklettern roch er, dass gerade Rum-Tee gemacht wurde.
»Hast du Sprine, Peck?«, fragte er.
Peck schaute von dem kleinen Herd auf, schüttelte den Kopf und widmete sich wieder dem Kessel. Ambel dachte sich, dass er log. Jeder Hooper, der so etwas wie Peck erlebt
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