Neandermord
dann erkennt und gar nicht mehr nachprüft, von welchem Server die Nachricht wirklich kam. Leider können wir’s nicht beweisen. Was willst du als Nächstes machen?«
»Moment mal eben.«
Ich hatte aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrgenommen. Von der Seite, wo die Dame mit dem Hund verschwunden war, näherte sich jemand. Aus der Richtung, in der nach meiner Erinnerung die Innenstadt liegen musste. Ein Mann in hellem bräunlichem Hemd. Und mit grüner Schirmmütze. Ein Bulle mit einer Ledertasche unter dem Arm. Offenbar auf dem Heimweg.
»Da kommt ein Polizist«, raunte ich Jutta zu. »Er spaziert hier vorbei. Kann sein, dass ich gleich auflegen muss.«
»Wie nah ist er?«
»Dreißig, vierzig Meter.«
»Hat er dich gesehen?«
»Ich denke schon. Wenn ich jetzt aufspringe und weglaufe, wird er garantiert misstrauisch.«
»Rede mit mir. Tu so, als wenn ich deine Freundin wäre oder so.«
»Ich versuch’s. Also der Park hier ist ganz nett. Und mein Termin ist auch vorbei. Ich könnte also gleich heimkommen …«
Während ich drauflosredete, beäugte ich den Polizisten. Er hatte einen einzigen Stern auf der Schulter. Was war das für ein Dienstgrad? Polizeiobermeister? Keine Ahnung. Ich kontrollierte mein Jackett. Es wäre dumm, wenn er meine Waffe bemerken würde. Ansonsten tat ich entspannt. Langsam schritt er auf mich zu. In mir gab es einen Trommelwirbel aus Herzklopfen.
Ganz ruhig, sagte ich mir. Er muss an dir vorbei, da geht schließlich der Weg lang.
»Was ist?«, fragte Jutta an meinem Ohr. Ich hatte aufgehört zu reden. »Bist du noch da?«
Ich räusperte mich. »Ach, es ist so schön hier. Noch so warm. Wie ist denn bei dir das Wetter …?« Ich unterbrach mich kurz. »Süße«, fügte ich dann hinzu. Es kam nicht besonders überzeugend rüber.
Jutta kicherte albern. »Hier regnet’s auch nicht gerade.«
Der Polizist war nun nahe bei mir. Er grinste vor sich hin. Freute sich wahrscheinlich auf den nahenden Feierabend. Irrte ich mich, oder bremste er ab?
Er blieb stehen.
Genau vor mir.
Mein Herz stockte.
»Guten Abend!«, sagte er.
Das klang, als würde er jetzt gleich meine Personalien kontrollieren.
»Moment mal eben«, sagte ich zu Jutta.
»Guten Abend«, grüßte ich zurück und sah zu dem Bullen hoch, der jetzt in seiner Tasche nestelte. Was hatte das zu bedeuten?
»Entschuldigung«, sagte er. »Ich wollte Ihr Telefonat nicht stören.«
»Ach, ich bin eh gerade fertig«, sagte ich und fügte hinzu: »Ist sowieso alles viel zu teuer.«
Ich raunte Jutta ein »Ich melde mich wieder« in den Hörer und steckte das Handy weg, immer darauf bedacht, meine Wumme zu verbergen.
Der Polizist setzte sich neben mich.
Mach dich nicht verrückt, dachte ich. Wenn der jetzt nach deinen Papieren fragt, rennst du, was du kannst, in das Grünzeug dahinten.
In meinem Kopf rasten die Gedanken. Die Industriestraße, in der Zech wohnte, führte auf den Europaring, hinter dem wiederum die Innenstadt von Ratingen angesiedelt war. So viel wusste ich. Wahrscheinlich war dieser Pfad ein Weg dorthin. Ich musste mich also eigentlich eher in die andere Richtung schlagen. Aber dort kannte ich mich noch weniger aus als hier.
Jetzt hatte der Polizist eine Zigarette in der Hand.
»Ich wollte Sie eigentlich nur um Feuer bitten.«
»Kein Problem«, sagte ich so ruhig wie möglich und angelte, ebenso gründlich wie unauffällig das Jackett zuhaltend, das Feuerzeug heraus. Wo ich gerade dabei war, holte ich die Camelschachtel gleich mit.
»Meine Frau hat mir das Rauchen zu Hause verboten«, sagte der Bulle.
Ich steckte mir auch eine an. »Bald stehen wir Raucher auf der Liste bedrohter Tierarten«, bestätigte ich.
»Dabei ist das ein prächtiges Mittel gegen Mücken.«
Schweigend bliesen wir den Rauch in die Gegend. Ich saß wie auf Kohlen. Hoffentlich verschwand der Typ bald.
»Bei uns auf dem Revier ist Rauchen nicht erlaubt«, informierte er mich. »Und ich mache Innendienst. Können Sie sich vorstellen, was das heißt?«
Ich konnte es. In meiner Fantasie blühte gerade eine Szenerie auf, in der ein Bulle am Schreibtisch die aktuellen Fahndungen durchging - gründlich und mit viel Zeit. Ein Griff in den Eingangskorb, und eine neue Akte lag auf seinem Tisch. Und wen hatten wir da? Remigius Rott, fünfundvierzig Jahre alt, Privatdetektiv aus Wuppertal. Gesucht wegen Mordverdacht an einem Kriminalkommissar. Flüchtig. Keine Brille. Etwa einsfünfundachtzig groß, dunkle Haare …
Der Bulle trat die
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