Neandermord
Das ist alles verblasst. Aber eine Sache kann ich Ihnen noch erzählen …«
Er wirkte nachdenklich. Dann sagte er: »Es ging damals nicht nur um eine reine Korruptionsgeschichte. Da waren noch andere Dinge im Spiel.«
»Andere Dinge? Andere Straftaten?«
»Wenn ich mich jetzt nicht sehr täusche und irgendwas durcheinanderbringe, hat es damals auch einen Mord gegeben. Wenn ich das nur noch wüsste …«
Er ballte die Faust und legte sie an den Mund. Rodins Denker.
»Ich weiß es wieder«, sagte er. »Aus welchem Jahr stammt der Artikel, den Sie gelesen haben?«
»1999.«
»Und er stand im Internet?«
»Er wurde irgendwo zitiert.«
»Das war kurz vor meinem Aufbruch in die Staaten. Einige Jahre später ist im Zusammenhang mit dieser Geschichte ein Mord passiert.«
»Wo?«
»In Wuppertal.«
»Einige Jahre später? Ich denke, da waren Sie in Amerika? Und an Kriegsschauplätzen?«
»Ich war schon ab und zu in Deutschland, und da habe ich es schlicht und ergreifend selbst in der Zeitung gelesen. Ich weiß auch nicht, warum ich mich daran so genau erinnere. Vielleicht, weil mir das nach meinen Erlebnissen im Ausland wie eine Geschichte aus einem beschaulichen, kleinen Verbrechermilieu vorkam.«
»Was wissen Sie über den Mord?«
»Es ging um Konkurrenz zwischen zwei Spielclubs. Der Inhaber eines Clubs wurde ermordet. Und es hieß, die Kugel habe aus einer Polizeipistole gestammt.«
»Hat man bei einer Razzia auf ihn geschossen?«
»Nein, ich glaube, es war ein heimtückischer Mord. Ob ein Polizist ihn verübt hat, wusste man nicht. Nur die Waffe hätte eine von der Polizei gewesen sein können. Den Rest habe ich nicht mehr parat. Schauen Sie doch einfach mal im Zeitungsarchiv nach. Sie werden dort sicher noch Details finden.«
»Wissen Sie noch, um welche Spielclubs es da ging?«
»Die haben doch alle die gleichen Namen. Spielhalle. Spielothek. Las Vegas. Was weiß ich.«
»Sagt Ihnen der Name ›Nevada-King‹ was?«
»Nein.«
»Der Laden liegt an der Bergischen Landstraße. Wissen Sie noch, ob das ›Nevada-King‹ irgendwas mit der Sache zu tun hatte? War es vielleicht der Club, dessen Besitzer erschossen wurde? Ist der Name aufgetaucht?«
»Wie gesagt - schauen Sie ins Archiv.«
Ich schwieg. Er sah mich an. »Sie haben keine Zeit, ins Archiv zu gehen, hab ich recht?«
Wieder hatte er meine Gedanken gelesen.
»Oder Sie trauen sich nicht hin.«
Was sollte ich ihm sagen?
»Wäre es nicht an der Zeit, mir reinen Wein einzuschenken? Bis jetzt haben Sie mir noch nicht mal Ihren Namen verraten.«
»Sicher habe ich das. Mein Name ist Rott. Ich bin Privatdetektiv.«
Zech sah mich nachdenklich an. »Ein Privatdetektiv … Womöglich aus Wuppertal…« Sein Blick wirkte entspannt, fast verhangen. »Wissen Sie, Herr Rott, wenn ein Mord geschieht, ermittelt doch normalerweise die Polizei. Was hat ein Privatschnüffler damit zu tun? Und wieso ermitteln Sie in einem Fall, der zehn Jahre zurückliegt?«
Jetzt bewegte sich das Gespräch auf einen Punkt zu, der für mich gefährlich werden konnte.
»Da gibt es verschiedene Möglichkeiten«, blieb ich vage.
»Sie sehen mir aus wie einer, der seine Haut retten will«, sagte er. »Und in dem Mordfall von gestern wird ein Verdächtiger gesucht.«
»Das sagen die Medien.«
»Ich gehe mal davon aus, dass die Information richtig ist. Und ich muss sagen, ich finde das sehr interessant.«
»Was finden Sie interessant?«
»Da wird ein Polizist ermordet. Jemand wird verdächtigt. Er flieht. Und anstatt sich in Sicherheit zu bringen und zum Beispiel ins Ausland zu fliehen, macht er sich Gedanken über den Fall, gräbt nach und stößt ausgerechnet auf die Geschichten aus meinem alten Leben.«
»Na und? Ich meine, wenn der Verdächtige so handelt, ist das doch nachvollziehbar.«
Er sah mich an und schwieg wieder. Die Schatten im Garten waren länger geworden. Der Tag ging langsam zur Neige. Die Hitze hatte nachgelassen, und ein Duft nach Rasen und Erde umgab uns. Er erinnerte mich an die Situation, als ich Krüger in den Wald gefolgt war.
Zech erwachte aus seinen Gedanken. »Würde ein schuldiger Verdächtiger so handeln? Wie gesagt - ein schuldiger Verdächtiger hätte den Mord begangen, den er begehen wollte, und dann wäre er geflohen. Er hätte sich ganz sicher nicht die Mühe gemacht, mich zu besuchen und nach den alten Geschichten auszufragen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Zech lehnte sich zurück. »Ich denke, ich sollte Ihnen den
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